Model-Ich (German Edition)
gegangen. Ist dabei keinem aufgefallen, dass die Mädchen aussahen wie Aliens? Oder fand man etwa, dass sie im Gegenteil gut aussahen? Ich weiß nicht, was ich schockierender fände. Diese Nachbearbeitung war ein Extremfall, der mir so noch nicht passiert ist. Aber es gibt auch Bilder, auf denen meine Beine derart gestreckt wurden, dass mein Körper fast aussieht wie eine Reflektion in einem Jahrmarkt-Spiegel. Und selbst bei »guter« Retusche wird gerne mal übertrieben. Es verschwinden nicht nur Augenringe und Pickel (wofür man, zugegeben, dankbar ist), sondern auch Lachfältchen und Poren. Die Gesichter, die einem aus den Magazinen entgegengucken sind alle gleich glatt, mit dem Resultat, dass etwas Natürliches im Vergleich grotesk wirkt. Man erschrickt sich ja schon fast, wenn man mal ein unretuschiertes Foto von einem Model oder einer Schauspielerin sieht. Sofern man die überhaupt zu sehen bekommt. Denn selbst bei Bildern, die angeblich ganz natürlich sein sollen und von Modemagazinen groß als frei von Make-up und Nachbearbeitung angekündigt werden, wurde sehr wahrscheinlich nachgeholfen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Bei Modefotos geht es nicht darum, die Realität zu zeigen, sondern eine Fantasie zu verkaufen. Doch sogar bei Paparazzi-Schüssen werden im Nachhinein bei irgendwelchen Promis selbst die Knie geglättet. Obwohl ich weiß, dass das alles ein großer Schmus ist, verunsichert mich der Anblick solcher Fotos auch. Meine Knie sehen nicht so aus. Was stimmt mit mir nicht?!
Ich hab nie etwas machen lassen (mit einer kleinen Ausnahme: vor ein paar Jahren habe ich meinen kaputten Schneidezahn mit einem Veneer verblenden lassen) und wurde auch von keinem
meiner Agenten gefragt, ob das für mich infrage käme. Kein Wunder. Jegliche Makel werden sowieso am Computer entfernt. Es gibt Situationen, in denen ich nichts dagegen habe. Wer will schon mit Stress-Herpes in einer Beautystrecke auftauchen? Aber es ist auch vorgekommen, dass mein Mund in einer Reklame für Lippenstift gegen den Mund von einem anderen Model ausgetauscht wurde. Meine Nase sieht auf manchen Bildern so klein aus, dass es nicht nur an einem guten Kameraobjektiv liegen kann. Als Teenager hätte ich gegen so einen »nose job« womöglich nichts gehabt – ich mochte meine Nase nicht gerade. Durchs Modeln wurde sie dann aber zu meinem Markenzeichen. Ich würde sie jedenfalls überall wiedererkennen. Es passiert dann trotzdem, dass mir die Leute nach Fotoshootings sagen: »Oh, du sahst so schön aus auf den Bildern, wir mussten überhaupt nichts retuschieren!«
Diese Lüge kaufe ich ehrlich keinem mehr ab.
PAPARAZZI
JEDER, DER MEINEN KLEIDERSCHRANK KENNT, weiß, dass ich genug große Sonnenbrillen besitze, hinter denen ich mich vor neugierigen Fotografen verstecken könnte. Allerdings habe ich dazu nur selten Gelegenheit. Ich werde zwar schon auf der Straße erkannt, dann aber vor allem von Cliquen von Schulmädchen, um die ich deshalb vorsichtshalber lieber einen Bogen mache. Seitdem mein Beruf in Deutschland als Donnerstagabendunterhaltung bekannt geworden ist, werden Models anders wahrgenommen. Mir kommt es jedenfalls vor, als sähe die breite Masse uns Mädchen nicht mehr als Geschöpfe von einem anderen Planeten, sondern als Menschen zum Anfassen. Schließlich weiß man aus dem Fernsehen, wie wir ticken, wie unser Leben aussieht und was unser Beruf alles beinhaltet. Einerseits freut es mich sogar, dass ich dadurch nicht mehr so oft erklären muss, was ein Model eigentlich macht . Andererseits will ich nicht unbedingt erkannt werden, wenn ich ungeschminkt im Supermarkt mein Klopapier kaufe, oder angesprochen werden, wenn ich mich im Fitnessstudio nach dem Duschen abtrockne. Die Vorstellung, dass mich dabei auch noch jemand fotografiert, ist schrecklich. Anders als in Deutschland ist es zum Beispiel in Amerika und England ganz üblich, Stars schonungslos abzulichten, auch wenn sie nur mit Strähnchenfolie beim Friseur sitzen, mit den Hunden Gassi gehen oder ihr Auto volltanken. Ich bin ehrlich froh, dass ich mich hier in meinem Alltag nicht fragen muss, ob gerade jemand ein Teleobjektiv auf mich richtet.
Es gab in meinem Leben erst eine Situation, in der ich mich wie ein armer, von Paparazzi verfolgter Promi fühlte – und das
ausgerechnet bei meiner Hochzeit. Niklas und ich haben im Sommer 2006 geheiratet und vorher drei Monate lang geplant, damit alles glattgeht. Die Location, ein romantisches Hotel im Spreewald, war
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