Model-Ich (German Edition)
wussten, wie es ist, wenn man den Freund zu Hause vermisst, und verstanden die Probleme, die man in einem fremden Land wegen der Sprache hat. Und wenn es mal wieder mit einem Job nicht geklappt hatte, konnten wir uns gegenseitig trösten.
MUSIK
ES SAH NICHT GUT FÜR UNS AUS. Niklas und ich standen auf einem Musikfestival in Toulouse vor der Bühne. Oben spielte gerade ein Duo aus New York sanfte Lieder auf der Klampfe. Unten saßen Leute in der Sonne und genossen ihr mitgebrachtes Picknick. Nebenan tobten Kinder auf einem Spielplatz. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und wir sollten gleich als Dapayk & Padberg unsere recht synthetische elektronische Musik auflegen. Wir waren uns sicher: Mehr fehl am Platz konnte man kaum sein.
Wir hatten uns getäuscht. Nach nur einem Lied stand das Publikum und alle tanzten mit. Es flogen Wasserflaschen durch die Sommerhitze und auch ein kurzer Stromausfall konnte die Party nicht stoppen. Scheinbar hatte Toulouse nur auf uns gewartet. Es wurde ein Bombennachmittag.
Live-Auftritte sind großartig und grausam zugleich. Grausam, weil man vorher nie weiß, wie das Publikum reagieren wird. Als wir mit unserem ersten Album auf Tournee gingen, musste ich mich vor beinahe jedem Auftritt vor Panik fast übergeben. Dafür gibt es nichts Großartigeres, als vor Leuten zu spielen, die zu deiner Musik abgehen. Und man weiß nie, wo es passieren wird. Dazu nur ein Wort: Gießen. Diese hessische Metropole bescherte uns einen der schönsten Momente auf Tour. Wir spielten dort in einem winzigen Pub. Ein Lautsprecher hing in dem Raum, in dem wir auflegten, ein weiterer Lautsprecher hing eine Etage tiefer an der Bar. Dennoch war es proppenvoll und jeder konnte die Texte auswendig. Unsere Texte! So fühlen sich also richtige Musiker bei ihren Konzerten.
Wenn das Publikum mitsingt, ist das nicht nur äußerst schmeichelhaft. So kriegt auch keiner mit, dass ich keine Sängerin bin. Das ist bei elektronischer Musik nicht notwendig, da ich die Stücke eher spreche als herausschmettere, und meine Stimme am Computer verfremdet wird. Ich erwähne das auch nur, weil sich immer wieder Leute in unsere Konzerte verirren, die eine große Eva-Gesangsshow erwarten und enttäuscht sind, dass ich neben meinem Mann hinterm Pult stehe.
Es ist meine eigene Schuld. Anders gesagt: wir hätten ihnen das sicher erspart, wenn wir uns nicht Dapayk & Padberg genannt hätten. Der Name Padberg interessierte 2002, als wir unsere kleine Band gründeten, niemanden. Heute stößt er beinahe auf zu viel Interesse, was in der Musikszene, in der wir uns bewegen, fast schon rufschädigend ist. Es geht um »credibility«, wie man zu Neudeutsch sagt. Also: um Glaubwürdigkeit.
In erster Linie freue ich mich selbstverständlich über jeden, der unsere Musik hört. Aber es ist Musik für Liebhaber. Wer nur wegen meines Nachnamens in unsere Konzerte kommt, wird nicht viel damit anfangen können. In Deutschland treten wir deshalb kaum noch zusammen auf. Im Ausland ist Niklas als Dapayk bekannt und ob die Frau, die neben ihm auf der Bühne steht, auch Model ist, ist den Leuten herzlich egal.
Es hat dennoch nichts mit falscher Bescheidenheit zu tun, dass ich mich anfangs weigerte, auf die Bühne zu gehen. Ich befürchtete, dass ich vor Nervosität in Ohnmacht fallen könnte. Das ist bei meiner Premiere – denn ich ließ mich natürlich doch dazu überreden, aufzutreten – dann zwar nicht passiert. Dafür spielte die Technik nicht mit. An diesem Abend in Thüringen passierte jeder nur erdenkliche Fehler, von abgestürzten Rechnern bis zu pfeifenden Mikrofonen. Zum Glück saßen im Publikum vor allem Freunde.
Mittlerweile kann ich Liveauftritte ehrlich genießen. Wenn
alle mitgehen, feiern wollen, die Stimmung enthemmt ist, motiviert es, auch am nächsten Album zu arbeiten.
Durch meinen Mann ist die Musik mein ständiger Begleiter. Wir haben unser Tonstudio im Haus, so können wir spontan arbeiten. Hat einer von uns eine Idee, wird sie direkt umgesetzt. Bei unserem ersten Album war das schwieriger, da ich damals viel gereist bin und in New York lebte. Wenn ich eine Textidee hatte, schickte ich Niklas eine E-Mail und er schickte mir seine Ideen und Vorschläge zurück. Auf diesem Weg entstand fast das komplette erste Album. Es musste einige Entfernung überwinden und »Close Up« kam uns wie ein passender Name vor.
Beim zweiten Album stellten wir dafür fest, dass man sich manchmal ein bisschen auf die Nerven geht, wenn man
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