Model-Ich (German Edition)
Familie saß im Publikum. Armin machte mir Make-up und Haare und war, wenn das überhaupt möglich war, noch aufgeregter als ich. Alle fünf Sekunden sprühte, toupierte und steckte er an mir herum und trieb mich damit immer weiter in den Wahnsinn. In wenigen Minuten musste ich raus auf die Bühne und versuchte gleichzeitig, meinen Text und mein Abendessen bei mir zu behalten und nebenbei zu vergessen, dass ich vor sechs Millionen Zuschauern live auf Sendung gehen würde. Wer hat sich noch mal ausgedacht, dass ich eine der wichtigsten Preisverleihungen Deutschlands moderieren sollte? Ich glaube, mein Herz hat gerade aufgehört zu schlagen!
Der Abend zog wie in einem Rausch an mir vorbei. Ich erinnere
mich verschwommen, dass ich Donatella Versace einen Preis überreichte, und daran, dass aus irgendeinem Grund auch Richie Sambora von Bon Jovi dort war. War das Ganze vielleicht nur ein Traum? Und wenn ja, was hatte Elton John darin zu suchen? Genauso unwirklich kam mir das Dinner im Anschluss vor. Dort saß ich neben zwei älteren, recht amüsanten Herren, die mir von ihren Privatflugzeugen erzählten. Niklas landete dafür neben einer Gräfin von und zu, die ihn über seine angeblich nicht vorhandenen Tischmanieren aufklärte. Wir hielten es bis kurz nach der Vorspeise aus und ergriffen dann die Flucht, um endlich mal durchzuatmen und mit meiner Familie zu feiern.
Anscheinend musste ich an dem Abend etwas richtig gemacht haben, denn zwei Jahre später kam die Anfrage, ob ich den Bambi erneut moderieren würde, diesmal zusammen mit Harald Schmidt. Obwohl ich Zweifel hatte, dass ich die nervliche Anspannung noch mal überleben würde, sagte ich sofort zu. Neben einem so beschämend lockeren Profi wie Schmidt würde es gar nicht auffallen, wenn ich etwas vermasselte. Ich begab mich also in die Hände des Großmeisters und ließ mich von ihm durch den Abend führen. Es lief so reibungslos, dass ich bis heute glaube, dass mir jemand heimlich Beruhigungstropfen in meinen Kamillentee gekippt hat. Ich war nicht annähernd so nervös wie beim ersten Mal. Keine Ahnung, ob den Zuschauern der Unterschied auch aufgefallen ist. Ich habe mir bisher keine der Aufzeichnungen vom Bambi angeschaut – aus Angst, vor Scham tot umzufallen. Zwar haben mich diverse Leute, darunter mein voller guter Ratschläge steckender Agent, gebeten, das zu Lernzwecken zu machen. Ich halte es lieber mit dem Sprichwort »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß«. Anders ausgedrückt: Verdrängung macht mich nicht zu einer schlechteren Moderatorin.
BERLIN
SEIN ERSTES MAL IN BERLIN vergisst man nie. Bei mir passierte es in der Zeit vor dem Mauerfall. Ich war sechs, interessierte mich herzlich wenig dafür, dass es die Stadt zweimal gab und für den Palast der Republik, der auf dem Besichtigungsprogramm abgehakt werden musste, konnte ich mich auch kaum begeistern. Die Tatsache, dass es sich bei Berlin um eine Großstadt handelte, war das Besondere für mich. Ein Mädchen aus der Provinz konnte hier sicher einiges entdecken. Wir waren auf der Rückreise aus einem Urlaub in Polen und hatten haltgemacht, um ein paar Sachen zu kaufen, die man bei uns zu Hause in Rottleben nicht so leicht bekam. Mein Vater hatte uns eine Wassermelone besorgt. Eine Wassermelone! Die war für eine Ostgöre wie mich so selten wie wertvoll und ich bestand darauf, sie selbst zu tragen. Klar, dass mir die 5-Kilo-Frucht prompt vor die Füße fiel und in tausend Stücke zersprang. Meine Familie redete erst mal kein Wort mit mir.
Mehr ist von meinem ersten Mal in Berlin nicht hängen geblieben.
Das zweite Mal war um einiges aufregender.
Mit Anfang 20 lernte ich die Stadt so kennen, wie ich es jedem wünschen würde. Ich kam zum Arbeiten nach Berlin, es war Sommer, ich sollte bei einer Stylistin im Gästezimmer übernachten, aber niemand schien hier je zu schlafen. Nach Feierabend ging ich mit dem Team zum Essen. Eben war es noch acht, plötzlich schon fünf Uhr morgens und wir saßen in einer Dönerbude in Kreuzberg. Es war die perfekte Nacht in der perfekten Stadt. Ich hatte stundenlang getanzt, coole Leute kennengelernt und
alles schien unkomplizierter, als ich es aus New York oder Mailand kannte. Es gab keine VIP-Bereiche, keine Türpolitik, keine auf High Heels schwankenden Tussis und keine Typen mit hochgeschlagenen Hemdkrägen, die ihre Rolex ausführten. Die Musik war hundertmal besser als alles, was ich bis dahin in jedem anderen Club in jeder anderen Stadt gehört
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