Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Krähes Atelier bei uns im Keller und sehen zu, wie Krähe Stoffe an Schneiderpuppen drapiert. Sie arbeitet an ein paar Kleidern für ihren Stand auf dem Portobello-Road-Markt, wo die Stars und It-Girls shoppen gehen. Jenny hat jede Menge Ideen für neue Looks, die Krähe höflich ignoriert, aber glücklicherweise bekommt Jenny das nicht mit, weil sie kurze Zeit später wieder in einen Monolog über die Schauspielerei vertieft ist.
    Es stellt sich raus, dass Jennys »Sache« ein Vorsprechtermin war, und sie wurde vom Fleck weg engagiert. Der Regisseur wollte Jenny sowieso für Bills neues Stück haben und sich nur noch mal vergewissern. Sie spielt praktisch sich selbst, da ist das Risiko nicht allzu groß.
    Ende Januar fangen die Proben an. Jenny ist sehr, sehr aufgeregt, und wenn ich mich nicht so elend wegen der Blamage fühlen würde, könnte ich mich mit ihr mitfreuen. Stattdessen täusche ich Begeisterung vor, so gut es geht. Zum Glück reicht ihr Überschwang für zwei und sie merkt es gar nicht.
    Edie versucht immer noch Alexander zu verstehen, als wäre er eine Art Matheaufgabe.
    »Ich begreife nicht, warum er dir keine Pommes angeboten hat«, sagt sie. »Oder welche für dich bestellt hat. Oder dich gefragt hat, ob du welche willst. Ich meine, offensichtlich findet er dich gut, also …«
    Ich weise sie auf zwei Tatsachen hin: Erstens, er ist ein Junge, und zweitens, er ist ein paar Jahre älter als ich, und deshalb wird er jede Menge Sachen tun, die ich nicht verstehe. Das ist Teil des Deals. Der Reiz. Der Nervenkitzel.
    »Ich verstehe …«, sagt sie, doch es klingt so, wie sie zu Andy Elat gesagt hat, sie würde ihm vertrauen, obwohl es nicht stimmt.
    »Er kann ganz toll springen«, erklärt Krähe. »Kilometerweit.«
    Das stimmt natürlich, ist aber vollkommen nebensächlich. Trotzdem nicken wir alle.
    In diesem Moment piept mein Handy. Es ist eine SMS von einer unbekannten Nummer.
    Hi Stiefel , steht da. Bin eine Weile in Kuba auf Tournee. Sehen wir uns 23. Jan? Dein Bruder legt auf. Er kann dich bewachen. Pass auf die hübschen Beine auf. A xxxxx.
    Die nächsten anderthalb Stunden verbringen wir mit einer eingehenden Analyse. Unsere Englischlehrerin wäre stolz auf uns.
    Was bedeuten fünf Küsse?
    Welche Beine?
    Will er, dass Harry mich bewacht? Oder ist es ironisch gemeint? Oder sarkastisch, fragt sich Edie. Zehn Minuten lang diskutieren wir über den Unterschied zwischen Ironie und Sarkasmus. Edie weiß es, aber sie kann es nicht gut erklären.
    Was heißt »in Kuba auf Tournee«? Ist es ein Code für: »Dein Bruder ist ein solcher Idiot, dass ich deinen Anblick im Moment nicht ertrage?«
    Am Ende googeln wir Alexander.
    Es stellt sich raus, dass »in Kuba auf Tournee« »in Kuba auf Tournee« heißt. Mit einer Gruppe anderer Tänzer zur Vertiefung der Beziehungen mit den unglaublich guten Ballettschulen dort.
    Das bisschen wenigstens habe ich verstanden.

Letztes Jahr war Weihnachten ziemlich hektisch. Krähe war mitten in der Vorbereitung ihrer ersten Haute-Couture-Kollektion für die Londoner Fashion Week. Dieses Jahr macht sie keine, weil sie für Miss Teen arbeitet. Aber sie macht weiterhin ihre heiß begehrten Partykleider, und sie wurde von ein paar Schauspielerinnen gebeten ihnen Kleider für den britischen Filmpreis zu entwerfen, und sie muss sich was für die neue Miss-Teen-Kollektion einfallen lassen. Die erste Kollektion war relativ klein, aber diesmal will Miss Teen um die vierzig Teile haben: Oberteile, Hosen, Röcke, Kleider, Jacken, alles, was gefragt ist. Wenn ich Krähe wäre, würde mir wahrscheinlich das Gehirn explodieren.
    Jenny ist so aufgeregt wegen ihres neuen Stücks, dass sie es kaum abwarten kann, bis die Ferien endlich vorbei sind. Bei mir ist es der dreiundzwanzigste Januar, auf den ich mich freue. Harry hat zugegeben, dass er an besagtem Abend in einem Klub in Shoreditch auflegt, in der Gegend, wo die ganzen Modeschöpfer ihre Ateliers haben. Er scheint kein bisschen nervös deswegen zu sein, wie immer. Ich dagegen bin fix und fertig, weil ich weniger als sechs Wochen Zeit habe, um mir zu überlegen, was ich anziehen soll. Die Einzige, die in Weihnachtsstimmung ist, ist Edie.
    Edie kümmert sich darum, dass wir die richtigen Geschenke für die richtigen Leute besorgen und dass wir die Ferienhausaufgaben erledigen und dass wir Karten für eine Pantomime bestellen. Sie organisiert sogar, dass wir auf der Eisbahn vor Somerset House Schlittschuh laufen. Wir sehen aus wie