Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
langsam an. Schon im ersten Ballett stürzen sie sich ins Getümmel, sausen durch die Luft und zeigen ihre Strumpfhosen und ihre unglaublich muskulösen Beine. Alexanders Sprünge sind wunderschön. Er hebt ab und scheint minutenlang durch die Luft zu schweben, bevor er leichtfüßig, elegant und strahlend landet. Um gleich darauf Pirouetten drehend über die Bühne zu wirbeln, als wollte er zeigen, wie viel Energie er noch hat.
Auch mein Bauch dreht Pirouetten. Irgendwie ist jedes dritte Lächeln an unsere Loge gerichtet und ich schätze, dass er nicht Krähe damit meint, auch wenn sie zurückgrinst wie ein Honigkuchenpferd.
»Er ist super, findest du nicht?«, flüstert sie vergnügt.
Ich nicke. Im Moment bin ich nicht in der Lage zu sprechen. Ich kann nicht glauben, was gerade passiert. Der süße Typ in den Strumpfhosen, der beste Tänzer des ROYAL OPERA HOUSE, flirtet mit mir VON DER BÜHNE AUS.
Das muss ein Traum sein. Ich warte dauernd darauf, dass ich aufwache. Aber ich bin noch hier und Krähe grinst und Alexander wirbelt weiter durch die Luft und strahlt in jedem freien Augenblick zu mir herauf.
Die erste Pause ist eine Erholung.
»Ach übrigens«, sagt Krähe, als wir am Eisstand in der Schlange stehen (überflüssig zu erwähnen, dass es im Royal Opera House das beste Eis in ganz London gibt). »Miss Teen will, dass ich für kommenden Winter noch eine Kollektion mache.«
WAS?
»Wie bitte?«, murmele ich. »Ich habe nicht richtig zugehört.«
Also wiederholt sie es. Die gleichen Worte, in der gleichen Reihenfolge.
Miss. Teen. Will. Noch. Eine. Kollektion. Von. Ihr.
OH. MEIN. GOTT.
Mein Gehirn parkt Alexander unter »später« und schaltet von sprachlos über aufgeregt zu leicht verwirrt. Normalerweise ist es mein Job, ihr solche Informationen weiterzugeben, weil sie nicht gut im Telefonieren und Schreiben und E-Mailen ist.
»Wie hast du davon erfahren?«
»Amanda Elat hat heute nach der Schule angerufen«, antwortet sie. Amanda ist unsere Ansprechpartnerin. Ihren Vater sehen wir nur bei besonderen Anlässen wie neulich. »Du warst damit beschäftigt, dich für heute Abend fertig zu machen, da bin ich ans Telefon gegangen.«
Gott sei Dank ist sie ausnahmsweise drangegangen.
»Das ist ja fantastisch!«, sage ich. »Das heißt, dass sie wirklich an dich glauben.«
Dann fällt mir die Kleinigkeit ein. Dass Edie sagte, Krähe will vielleicht nicht mehr für Andy arbeiten. Und mein Magen zieht sich zu einem Knoten zusammen, der so eng ist, dass ich nicht weiß, ob er je wieder Pirouetten drehen kann.
»Was hast du geantwortet?«
»Ich habe okay gesagt«, erklärt Krähe schlicht.
»Und Edie? Und No Kidding?«
Darüber hat Krähe offensichtlich noch nicht nachgedacht.
Nach einer Minute ernstem Grübeln zuckt sie die Schultern.
Wunderbar. Wieder ein Problem für ihre Managerin. Ich rede später mit Edie, mal sehen, ob uns was einfällt.
Wir nehmen unser Eis entgegen und kehren auf die Plätze zurück. Vom mittleren Stück bekomme ich nicht viel mit. Mein Kopf ist zu voll mit Kollektionen und Handelskettenbossen und Kinderarbeitsvorwürfen.
Dann kommt das letzte Stück und es fängt damit an, dass Alexander von der Bühnenmitte strahlend zu mir herauflächelt, bevor er einhändig einen ganzen Schwarm von Ballerinas über die Bretter trägt.
Mein Hirn holt ihn aus der »Später«-Abteilung und gibt Anweisungen an meinen Bauch, sich dementsprechend zu verhalten. Und zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass mein Bauch trotz allem noch Pirouetten drehen kann.
Wie verabredet wartet Henry draußen, um Krähe abzuholen.
»Wie war es, Kleine Krähe?«, fragt er mit einem Lächeln für uns beide.
»Schön«, sagen wir zusammen. Krähe ist ein Mädchen der wenigen Worte und ich bin immer noch etwas sprachlos.
Ihr Bruder grinst und dann nimmt er sie mit in Richtung U-Bahn. So dass ich allein auf Alexander warte. Er hat eine Bar mit Restaurant in der Nähe vorgeschlagen, und ich gehe rein und versuche so alt wie möglich auszusehen und setze mich allein an einen Tisch, als würde ich so was täglich machen.
Glücklicherweise hat auf dem Nachbartisch jemand eine Zeitung liegen lassen, die ich mir schnappe, und den Kopf dahinter vergrabe. Es ist eins dieser Gratisblätter voll mit Klatsch und ein paar Interviews mit dem Premierminister, die auf der Straße verteilt werden. Und glücklicherweise kommt Alexander, als ich noch bei den Klatschspalten bin, so dass ich nicht mehr über den
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