Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Kampagne keiner mehr glaubt. Und durch meine Einmischung habe ich alles noch schlimmer gemacht.«
Sie lässt die Schultern hängen. Offensichtlich tut es ihr leid, die Leute von No Kidding zu enttäuschen. Edie hasst es, Leute zu enttäuschen. Selbst Leute, die sie nie kennengelernt hat und die ihr bisher nur Ärger gemacht haben.
Ich finde, es ist Zeit, das Thema zu wechseln. »Und was machen wir morgen?«, frage ich. Jetzt, wo wir die Fabrik besichtigt haben, nehme ich an, dass wir uns einfach entspannen können.
Edie ist für die Planung verantwortlich. Sie liebt so was und sofort hat sie wieder bessere Laune. Sie hat eine Tabelle angelegt, die sie auf ihrem Computer aufruft.
»Der Vormittag ist frei. Dann müssen wir für den Zug nach Agra packen, den wir am Abend nehmen.«
»Packen?« Verschwommen erinnere ich mich, dass jemand mal eine Bahnfahrt in eine andere Stadt erwähnt hat, aber ich wusste nicht, dass wir dafür packen müssen. »Warum müssen wir packen?«
»Weil Agra weit weg ist. Die Fahrt dauert zwanzig Stunden.«
Ich schnaube kichernd. »Hey, ich habe gerade verstanden, du hättest zwanzig Stunden gesagt! Hahaha!«
Edie sieht mich ernst an. »Das habe ich auch.«
Ich höre auf zu kichern. » Was? Du meinst doch nicht im Ernst, dass wir ZWANZIG STUNDEN im Zug sitzen! Warum fliegen wir nicht?«
»Weil es keine Direktflüge nach Agra gibt, und bis wir in Delhi sind und von dort ein Taxi genommen haben, dauert es genauso lang.«
»Warum fahren wir dann überhaupt dahin? Was kann es in Agra geben, das ZWANZIG STUNDEN Bahnfahrt wert ist? Nichts ist zwanzig Stunden wert.«
Edie lächelt mich an. »O doch, ich glaube, das schon.«
Gott, ich wünschte, ich wäre besser in Erdkunde.
»Okay, raus mit der Sprache«, sage ich. »Was ist es?«
Sie lächelt glücklich.
»Davon hast sogar du gehört, Nonie. Wie wäre es mit dem Taj Mahal?«
»Du meinst das Hotel die Straße runter?«
»Nein, nicht das Taj Mahal. DAS Taj Mahal.«
»Oh«, sage ich, als bei mir endlich der Groschen fällt. Ja, das klingt tatsächlich ziemlich beeindruckend.
Ehrlich gesagt bin ich immer noch nicht restlos überzeugt, dass zwanzig Stunden eine annehmbare Reiselänge irgendwohin sind, außer vielleicht nach Australien, aber als wir am nächsten Abend am Bahnhof stehen, inmitten von aufgeregten Reisenden, muss ich zugeben, dass ich mich an die Vorstellung gewöhne. Mum hatte mal ein Fotoshooting vor dem Taj Mahal und hat immer davon getönt, wie »magisch«, »einmalig« und »inspirierend« es ist. Bald kann ich mitreden und sagen, »also, als ich da war …«, was supernervig für sie sein wird und superwitzig für mich, und ich freue mich jetzt schon darauf.
Außerdem habe ich ein paar neue Nintendo-DS-Spiele und ein paar Zeitschriften dabei, so dass ich für den Großteil der Reise beschäftigt bin, ohne auf französische Grammatik zurückgreifen zu müssen, und das ist gut. Edie will unbedingt, dass wir die meiste Zeit damit verbringen, die unglaubliche Landschaft zu bewundern und das »Herz von Indien kennenzulernen«. Doch ich habe vor, mein neues Modenschau-Spiel auszuprobieren und zu sehen, wie viele Models ich in Rekordtempo über den NDS-Laufsteg schicken kann.
Der Zug ist enorm lang und, na ja, einfach enorm. Es gibt jede Menge verschiedene Klassen und mit Hilfe der Patils sitzen wir in einer der besten, was Klimaanlage bedeutet und ein Abteil mit Sitzen, die sich zu Betten umklappen lassen. Am Bahnsteig hatte ich Menschenmassen erwartet, die auf die Waggons klettern und sich am Dach festbinden, wie man es aus Filmen kennt. Deshalb bin ich ein bisschen enttäuscht, als ich sehe, dass die Leute sich genauso benehmen wie an einem Bahnhof in England, bis auf die bunteren Kleider, und ganz normal durch die Türen einsteigen. Nur tun sie es in derart riesigen, wimmelnden Mengen, dass ich mir nicht sicher bin, ob wir auch wirklich alle in den Zug reinpassen.
Es dauert Ewigkeiten, bis wir unsere Plätze gefunden haben. Jeder, den wir fragen, erklärt uns mit Überzeugung, sie wären irgendwo, wo sie nicht sind, und ich fange schon an mich zu fragen, ob unser Abteil wirklich existiert, als Edie plötzlich aufschreit und winkt, und dann schieben wir uns hinter ihr hinein, gerade als sich der Zug in Bewegung setzt.
Sobald wir es uns gemütlich gemacht haben, versenkt Harry sich in die Memoiren eines Fotografen, den er bewundert und der viel durch Indien gereist ist. Krähe macht sich an die Arbeit an einem neuen
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