Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Goldbrokatmantel, den ich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens tragen werde.
»Alles zu Recherchezwecken«, sage ich und zeige auf Krähe, die hilfsbereit nickt. »Für das Label.«
»Ja, klar«, sagt Harry. »Wenn ihr es so nennen wollt.«
Als ich den Kopf auf das Kissen fallen lasse, ist mein letzter Gedanke, dass Krähe erstaunlicherweise nicht einmal den Skizzenblock gezückt hat, seit wir hier sind. Ganz anders als in Paris. Sie scheint über irgendwas nachzudenken. Wahrscheinlich macht sie sich Sorgen, sonst könnte sie nichts vom Zeichnen abhalten.
Yvette? Die Straßenkinder? Was sie für Teenager entwerfen soll? Ich habe das Gefühl, Krähes Vertrauen zu Edie hat erste Kratzer bekommen, und dann fange ich an mir Sorgen über ihre Sorgen zu machen, aber das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich auf einem Teppich aus regenbogenfarbener Seide eine Mangoeis-Piste runterrodele, und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass ich träume.
Um sieben warten wir in der Lobby auf Mr Patils Wagen, der uns abholen soll. Zuerst habe ich mich gewundert, warum wir nicht einfach ein Taxi nehmen, doch es stellt sich raus, dass mit der Kleiderfabrik »in« Mumbai ein Industriegebiet zwei Autostunden von unserem Hotel gemeint ist. Bei einer Stadt, die groß genug für zwanzig Millionen Einwohner ist, zählt ein Umkreis von zwei Stunden zur Innenstadt.
Ich hoffe inständig, dass der Fahrer keins seiner Kinder mitgebracht hat und wir wieder Kopfrechnen üben müssen. Ich habe Glück. Stattdessen hat er Rakesh dabei, den »Schließ-Manager« (Reißverschlüsse, wie wir erfahren, nicht die Schließung von Fabriken), einen jungen Mann, der uns keine Sekunde lang anstarrt und die ganzen zwei Stunden von seiner fantastischen Stadt schwärmt, und wie großartig hier alles ist, und dass Mumbai die Hauptstadt der Filmindustrie, des Kricket-Sports, des Hochhausbaus, der Firmengründungen und der feinen Küche ist.
»Und Shopping«, sage ich.
»O ja, Shopping«, sagt er. »Die beste Stadt der Welt dafür. Da gibt es keinen Zweifel.«
»Und Eis. Besonders Mango.«
Er dreht sich zu mir um, beeindruckt, dass ich bereits so viele wichtige Dinge in seiner Stadt entdeckt habe. Dann sagt er auf Hindi etwas zum Fahrer, der lächelt und sich ebenfalls zu mir umdreht. Was irgendwie gefährlich ist, denn wir werden gerade auf beiden Seiten gleichzeitig von Lastwagen überholt, aber es passiert nichts, also nehme ich an, dass er weiß, was er tut.
Allmählich verändert sich die Landschaft von flach und braun zu grün und leicht hügelig. Da sind Seen. Weniger Wohnblocks und mehr Fabriken. Die Straße ist immer noch überfüllt von Autos und Taxis, Bussen, Transportern und Lastwagen, Fahrrädern und leuchtend gelben Rikschas. Die meisten sind schwer beladen mit Taschen und Kisten. Es werden in enormen Mengen Dinge hin und her transportiert.
Vor ein paar Monaten hätten manche dieser Kisten die ersten Teile von Krähes Kollektion für Miss Teen enthalten können. Es ist unglaublich, hier zu sein und den Weg zu sehen, den die Kleider hinter sich haben, an diesen Seen vorbei, über das Meer (welches? immer noch keine Ahnung) und hinein ins Herz von London, wo sie sich wahrscheinlich in der brodelnden Menge und dem Geschrei und Gedränge am Eröffnungstag bei Miss Teen wie zu Hause gefühlt haben.
Wir erreichen ein imposantes weißes Tor, von dem stellenweise die Farbe abblättert. Dahinter sehen wir Palmen und Parkplätze und riesige Gebäude. Es ist genau so, wie Jenny die Studios in Hollywood beschrieben hat, als sie bei Kid Code mitgespielt hat, nur mit kleineren Autos und mehr Leuten in leuchtend bunten Saris.
Der Fahrer bringt uns zum größten Gebäude, das so lang ist, dass man zehn Minuten brauchen würde, um von einem Ende zum anderen zu gehen.
Das ist der Ort, wo die Kollektion hergestellt wurde. Das ist der Ort, wo wir die Wahrheit darüber erfahren, wie sie hergestellt wurde. Das ist der Ort, wo wir herausfinden, wer gelogen hat: Andy Elat oder die Leute von No Kidding. Wir holen tief Luft und drücken einander die Hand. Dann führt uns Rakesh durch die Hitze auf dem Parkplatz in die klimatisierte Oase von Mr Patils Textilimperium.
Es gibt einen kleinen Empfangsbereich mit Plastikgartenstühlen, wo wir warten, während Rakesh telefoniert. Zwei Minuten später kommt eine bildhübsche junge Frau mit rabenschwarzem Haar, das ihr über den halben Rücken fällt, und lächelt uns zur Begrüßung an.
»Das ist Alisha«,
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