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Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Titel: Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
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sie die Art, wie wir sie gestern aufgezogen haben, sehr verletzt hat. Viel mehr, als wir dachten. Sie kann kaum sprechen, so aufgewühlt ist sie.
    Selbst unsere Entschuldigungen helfen nicht mehr. Und vor ihrer Nase einen Reiseführer kaufen können wir auch nicht, das wäre zu gemein nach der ganzen Geschichte. Also müssen wir das Taj Mahal besichtigen, ohne das Geringste darüber zu wissen.
    Wenn man es gewohnt ist, dass Edie – oder Mum, oder Granny – einem die ganze Zeit alles erklärt, ist es komisch, keine Ahnung zu haben, was man vor sich hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das arabische Schrift ist, die da in den Marmor eingemeißelt und mit Edelsteinen verziert ist. Aber mehr weiß ich nicht. Also konzentriere ich mich darauf, wie wunderschön die Bogenfenster und Türen sind und die feinen Verzierungen im Stein, und wie gut Mum der puristische Ansatz gefallen würde: weiß, weiß und noch mal weiß.
    Ich erwarte, dass Harry die ganze Zeit fotografiert, was er gewöhnlich immer tut, wenn er nicht gerade Musik hört, und oft sogar, wenn er Musik hört, aber er hat die Kamera nicht mal dabei.
    »Ich will nur sehen«, sagt er. »Und hören. Die Menschen, die Vögel, das Wasser. Ich will einfach nur da sein.«
    Das klingt sehr tiefsinnig und indisch und ich bin beeindruckt. Krähe ist längst so damit beschäftigt, da zu sein , dass sie kein Wort redet. Ich sehe ihr an, wie sie die reinen weißen Marmoroberflächen einsaugt.
    »Unglaublich, oder?«, sage ich, als ich mich neben sie stelle.
    Sie drückt kaum merklich die Schultern zurück, als wollte sie sagen: »Geh weg, ich sauge gerade die reinen weißen Marmoroberflächen ein«, und so muss ich, in Ermangelung einer anderen Beschäftigung, auch einfach nur da sein. Ich fange an die Details mit Krähes Augen zu sehen. Ich entwickle ein Auge für die Feinheit der mit Mosaiken verzierten Friese und die geschickt angelegten Perspektiven – wie man durch Lücken wunderschöner Gebäudeteile andere wunderschöne Gebäudeteile sieht – und bald bin ich so verzaubert, dass ich das Ganze am liebsten einpacken und mit nach Hause nehmen würde. Es ist vollkommen. Ich könnte den ganzen Tag nur dastehen und staunen. Ich wünschte allerdings, ich wüsste, was es ist.
    Als wir uns schließlich auf den Weg zurück machen, versuche ich es ein letztes Mal.
    »Edie, du hattest Recht, ich bin total begeistert. Bitte, bitte sag mir, wer es gebaut hat. Und wofür.«
    Edie sieht immer noch niedergeschlagen aus und den Tränen nah. Aber sie holt tief Luft.
    »Das Taj Mahal wurde von Großmogul Shah Jahan gebaut. Für seine Frau, die gestorben war. Es ist ihr Grab.«
    Wow. Dagegen sind Romeo und Julia kleine Fische. Ich hätte noch ungefähr fünfzehn andere wichtige Fragen, aber ich habe verstanden, dass Edie sich erst mal zurückziehen und ein bisschen weinen muss, bevor sie mir mehr erzählen kann.
    Wir bringen sie ins Hotel zurück, wo sie »ihr Make-up auffrischen« geht, und beschließen am nächsten Tag, wenn wir wissen, was wir vor uns haben, zurückzukommen.

Edie braucht nicht lange. Als sie zu uns an den Swimmingpool kommt, ist sie fast wieder die Alte – sie kontrolliert, ob ihre Wasserflasche versiegelt ist, und sieht zweimal nach, ob an den Resten vom Mittagessen, die wir ihr aufgehoben haben, auch kein Salat klebt.
    Wir entschuldigen uns alle noch einmal. Harry und ich einfach mit Worten, Krähe zeichnet ihre Entschuldigung auch in ihr Skizzenbuch – eine volle Seite verträumter Tänzerinnen in Saris, die das Wort »SORRY« ergeben. Bei eBay bekäme man wahrscheinlich Tausende von Pfund dafür.
    »Mir tut es auch leid«, sagt Edie auf ihre Edie-Art. »Ich habe überreagiert. Es ist irgendwie … ich weiß nicht, das Reisen.«
    Wir nicken. Egal wie sie es nennt.
    Vom Hotel aus sehen wir ein großes orangefarbenes Gebäude am Horizont. Edie zeigt darauf.
    »Das ist das Rote Fort«, erklärt sie. »Da sollten wir bei Sonnenuntergang hin. Dort wurde Shah Jahan von seinem Sohn eingesperrt, so dass er das Taj Mahal sehen musste und ständig an seine tote Frau erinnert wurde, ohne sie besuchen zu können.«
    Was?
    Das soll die langweilige Geschichte sein, die wir uns nicht anhören wollten? Kein Wunder, dass Edie vor Frust heulen musste. Endlich lassen wir sie zu Wort kommen und sie erzählt uns von Mumtaz Mahal, Shah Jahans geliebter Frau, die bei der Geburt ihres vierzehnten Kindes starb (scheint mehr gewesen zu sein als eine Teenagerliebe), und von

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