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Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Titel: Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
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Kleid, indem sie eine Bahn fuchsienrote Sariseide mit der Reisenähmaschine bearbeitet, die sie mitgebracht hat. Edie baut sich einen Wall aus Schulbüchern, Reiseführern, Wasserflaschen und Bananen, was so ziemlich alles ist, was sie zu sich nimmt, aus lauter Angst, sie könnte sich EINEN SCHRECKLICHEN VIRUS einfangen. Dann muss sie den Wall wieder abbauen und alles auf ihrem Schoß stapeln, denn eine indische Familie taucht auf, die ebenfalls in unserem Abteil reserviert hat, und nimmt die restlichen Plätze ein.
    Der Zug fährt aus Mumbai hinaus. Mein Plan, zu lesen und NDS-Spiele zu spielen, wird von der indischen Familie vereitelt, die sich unbedingt unterhalten will. Sie wollen wissen, wo wir herkommen, wohin wir fahren, ob wir von den köstlichen Kartoffelkuchen und scharfen Gerichten probieren möchten, die sie als Reiseproviant dabeihaben, welches meine Lieblingssehenswürdigkeiten in Mumbai sind und ob wir die Queen schon mal aus der Nähe gesehen haben. Ich bin versucht zu erzählen, dass ich mehr als einmal mit ihr verglichen wurde, von meinem Ex-Nicht-Freund, doch ich beschließe, er ist es nicht wert, in unserer Unterhaltung aufzutauchen, und die Familie ist sehr enttäuscht, als ich zugebe, dass ich die Queen auch nur aus dem Fernsehen kenne.
    Im nächsten Moment hat sich die Tochter der Familie, die vielleicht zehn ist, neben mich gesetzt und »hilft« mir bei meinem NDS-Spiel, während ihre Mutter mir bei meinen Zeitschriften »hilft«, indem sie alle durchblättert und bei mehreren Outfits in lautes Gelächter ausbricht. Es stört mich nicht weiter, weil das Essen aus der großen Tasche zu ihren Füßen, mit dem sie mich in der Zwischenzeit füttert, so wahnsinnig lecker ist, dass ich wahrscheinlich mehr davon verdrücke als ihr Mann und ihre Kinder zusammen.
    Lange nach Einbruch der Dunkelheit erreichen sie ihren Bahnhof und packen ihre Siebensachen, wobei sie mir genug Köstlichkeiten bis zum nächsten Morgen dalassen. Es tut mir sehr leid, dass sie gehen, und ich bin verblüfft, als ich feststelle, dass schon vier Stunden rum sind und Schlafenszeit ist. Langsam gewinne ich den Eindruck, zwanzig Stunden im Zug sind am Ende doch nicht so verrückt. Nicht nur das, es macht sogar Spaß, die Sitze zu Stockbetten umzuklappen, und es ist sehr angenehm, vom Rattern der Räder, die uns immer weiter in Richtung Agra tragen, in den Schlaf gewiegt zu werden.
    Ich finde es herrlich, im Zug zu schlafen, stelle ich fest, und anders als Edie habe ich auch nicht ständig Angst, von Banditen überfallen zu werden. Das ist der Vorteil, wenn man nicht zu viel über die örtliche Geschichte gelesen hat.
    Der Morgen hält eine Überraschung bereit. Nicht im Zug, sondern draußen vor dem Fenster, wo ich jedes Mal, wenn ich raussehe, einen nackten Popo entdecke, der auf dem Bahndamm hockt. Reisen wir hier entlang einer Art tausend Kilometer langen öffentlichen Toilette? Und ganz ehrlich, warum lernt man so was nicht in Erdkunde? Das ist viel interessanter als die Bevölkerungszahl von Alaska, eine Information, die ich nie im Leben brauchen werde.
    Ich könnte den ganzen Tag aus dem Fenster sehen. Nicht wegen der Popos, sondern wegen der Menschen und Tiere, die die ganze Zeit draußen auf den Feldern zugange sind oder gefährlich nahe an den Gleisen Hütten bauen oder einfach nur dastehen und sich umsehen, ohne überhaupt etwas Erkennbares zu tun. Aber ich habe nicht viel Gelegenheit dazu, weil eine neue Welle von Passagieren zusteigt, die alles über uns wissen wollen. Und so dauert es bis nach dem Mittagessen, bis ich mir endlich die Zeitschriften vornehmen kann, die ich gekauft habe. Und dann, ausgerechnet mitten in einem Artikel über die Mumbai Fashion Week, legt Edie los.
    »Das Taj Mahal«, beginnt sie feierlich, »wurde 1653 fertiggestellt.«
    Wir blicken auf, nicken kurz und vertiefen uns wieder in das, was wir gerade tun.
    »Es waren zwanzigtausend Arbeiter und eintausend Elefanten an dem Bau beteiligt und es geht das Gerücht, dass Shah Janan nach der Fertigstellung allen die Hände abhacken ließ, damit nie wieder etwas so Schönes gebaut werden konnte.«
    »Elefanten haben keine Hände«, werfe ich ein. »Und außerdem, igitt.«
    Edie sieht mich böse an. »Es heißt, der Architekt wurde umgebracht«, fährt sie fort, »aber …«
    »Schsch«, sagte ich. »Wir sind beschäftigt, Edie. Außerdem, wie gesagt, igitt.«
    »Aber ihr braucht diese Informationen. Sonst könnt ihr nicht …«
    Ich unterbreche

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