Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
Entwürfe nicht funktionieren. Im Gegenteil, sie ist fasziniert davon, wie die Kleider hier hergestellt werden. Wir sehen, wie die Fabrikarbeiter zuschneiden, nähen, heften, bügeln, hängen, falten, etikettieren und packen. Wir sehen, wie aus kleinen Stoffstücken nach und nach T-Shirts und Hosen und Kleider und Oberteile werden. Tausende und Abertausende.
Als Alisha uns kurz allein lässt, weil sie telefonieren muss, beugt Edie sich vor, immer noch ganz Geheimagentin.
»Ist euch irgendwas aufgefallen?«, fragt sie erwartungsvoll.
Harry denkt nach. »Habt ihr gesehen, wie viele von den Arbeitern iPods hatten? Der Nähmaschinenlärm muss sie wahnsinnig machen.«
»Sie könnten die Faltenkleider besser aufhängen, wenn sie das Muster anders schneiden würden«, sagt Krähe.
»Wer diesen grünen glänzenden Trainingsanzug in Auftrag gegeben hat, wird es bereuen«, erkläre ich.
»Ich meine, wegen der KINDER!«, knurrt Edie. »Irgendwas Ungewöhnliches? Irgendwelche sehr jungen Arbeiter? Kammern, die wir nicht sehen durften? Falltüren? Phil sagt, dass sie die Kinder oft an den unmöglichsten Orten verstecken.«
»Nein«, sagen wir. »Und du?«
Sie muss zugeben, dass ihr auch nichts aufgefallen ist. Der glänzende Gummiboden sieht nicht so aus, als gäbe es Falltüren zu versteckten Kellerverliesen. Die ganze Fabrik kommt uns wie eine riesige Halle vor. Die wenigen abgetrennten Räume, die es gibt, haben Glaswände und dort arbeiten Manager an Computern, keine Kinder. Alle wirken älter als wir, und gesund, und … ganz normal. Alisha hat uns erzählt, dass die Fabrik eine örtliche Schule fördert, und wenn das so ist, profitieren die Kinder sogar davon.
Als Alisha zurückkommt, fragen wir sie, ob Krähes Kleider auch wirklich ganz sicher ausschließlich hier hergestellt wurden.
»Letztes Jahr war ich noch nicht hier«, sagt sie. Wahrscheinlich hat sie da ihren Abschluss an der amerikanischen Uni gemacht. Sie ist genau so, wie Edie in fünf Jahren sein will. »Aber ich habe von Krähes Kollektion gehört. Alle waren ganz begeistert. Jeder wusste von dieser Schauspielerin bei der Oscar-Verleihung. Die Freundin von Joe Yule – ihr wisst schon, wen ich meine. Alle hier waren begeistert etwas dazu beitragen zu können. Ich kann euch die Fotos davon zeigen.«
Und das tut sie. Es gibt ein ganzes Album mit Fotos von Krähes Edelstein-Kollektion während der Herstellung. Wir sehen einander an. Jetzt haben wir ein richtig schlechtes Gewissen, dass wir je daran zweifeln konnten. Edie am meisten. Wir bleiben noch bis Feierabend in der Fabrik, aber zu keinem Zeitpunkt fällt mir irgendeine Ungereimtheit auf. Edie auch nicht. Krähe auch nicht. Nur Harry fällt irgendwann auf, wie hübsch Alisha ist, aber das war es dann auch schon.
Am Abend geht Harry mit Krähe in einen Bollywood-Film. Ich kann nicht mit, weil ich, obwohl ich gerade in einer der aufregendsten, überfülltesten, faszinierendsten Städte der Welt bin, FRANZÖSISCH LERNEN MUSS. Das Leben ist so unfair. Edie ist mal wieder mit E-Mail-Schreiben beschäftigt. Sie braucht ungefähr eine Stunde für ihren Bericht an Phil. Dann liest sie mir eine E-Mail von Jenny vor.
»Schade, dass wir vom Boat House weggehen. Wir haben gerade im neuen Theater mit den Proben angefangen. Es ist riesig! Wenigstens haben wir viele Szenen geschafft, weil die Leute nicht ständig damit beschäftigt waren, DKDB warmes Wasser zu reichen, denn Joe Uncool hat beschlossen, dass sie zu hart gearbeitet hat, und sie für ein paar Tage mitgenommen. Nach Venedig. Macht euch auf die Fotos gefasst. Bill arbeitet an einem neuen Projekt, aber er kam zu den Proben und fand meine Szenen gut!«
Etc., etc. Ich warte auf die Stelle, wo sie uns fragt, wie es in Indien ist, aber sie fragt nicht. Ich meine, wie interessant kann ein fremder Kontinent schon sein im Vergleich zu Proben für ein Theaterstück, in dem sie wochenlang aufgetreten ist? Na ja, wenigstens ist sie glücklich.
Ich frage Edie, ob sie sich überlegt hat, was sie auf ihrer Website schreiben will.
»Nimmst du das Banner ›Billigmode kostet Menschenleben‹ runter?«
Sie sieht mich geschockt an. »Natürlich nicht! Aber ich schätze, ich muss eine Art Entschuldigung an Miss Teen reinstellen. Und No Kidding auch. Phil sagt, er begreift es nicht. Die Person, die ihnen die Fotos von den Kindern zugespielt hat, sei eine verlässliche Quelle gewesen. Jetzt stehen sie ziemlich dumm da. Phil befürchtet, dass ihnen bei der nächsten
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