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Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer

Titel: Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Bennett
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seinen Plänen, ihr das schönste Denkmal der Geschichte zu bauen (mit großem Erfolg), und von der Fehde mit seinem Sohn und Shah Jahans Gefangenschaft (nicht so schön) und dem Ruf des Taj Mahal als größtem Liebesmonument der Welt. Die wenigen Stellen, die nicht aus weißem Marmor sind, sind aus Amethyst und Saphir und Jade und Kristall und Türkisen. Als wäre es nicht schon wow genug.
    Danach geht es Edie viel besser. Doch jetzt sind wir alle still geworden. So vieles, über das wir nachdenken müssen. Schwitzige Küsse und windige Bänke sind ein Witz dagegen.
    Am nächsten Morgen brechen wir wieder in aller Frühe auf. Inzwischen fühlen wir uns wie Stammgäste. Das ist schließlich unser zweiter Tag. Wir lassen die Pforte hinter uns und betrachten die mittlerweile vertraute Silhouette des Taj Mahal, das im blassen grauen Dunst wie eine Fata Morgana aussieht. Krähe hat den Skizzenblock dabei und endlich fängt sie an zu zeichnen. Harry und ich warten mit Edie darauf, dass die Sonne aufgeht und den Marmor von zartem Rosa zu sahnigem Weiß färbt.
    Wir stellen uns vor, wie Shah Jahan aus seinem Gefängnis im Roten Fort herübergesehen hat, voller Trauer um Mumtaz Mahal. Dann nähern wir uns langsam, was er nicht durfte, bis ihn sein Sohn am Ende auch dort beerdigt hat.
    Jetzt, da ich weiß, dass das Taj Mahal eine Art Liebesgedicht aus Marmor ist, wirkt alles anders. Ich mache den Fehler, zu versuchen mir vorzustellen, dass irgendwann ein Junge ähnliche Gefühle für mich hat. Was NIEMALS der Fall sein wird. Mumtaz Mahal bekommt ein Denkmal. Ich bekomme einen kaltfingerigen Händedruck mit steinernem Gesicht bei Topshop. Muss Karma sein.
    Harry wirkt heute so traurig, dass ich die russische Volksmusik in seinem Kopf fast hören kann. Edie denkt bestimmt nicht an Liebe – sie hatte noch nie einen Freund länger als vier Tage –, aber auch sie findet etwas an diesem Ort, das sie bewegt. Wahrscheinlich berechnet sie im Kopf das Volumen der Zwiebeltürme. Oder sie überschlägt die Arbeitsstunden, die nötig waren, um das Ding zu bauen. Was auch immer.
    Krähe ist in ihrer eigenen Welt. Sie hat bereits mehrere Seiten ihres Skizzenblocks vollgezeichnet. Juchhu! In ihrem Soulsängerinnenkopf hat sich etwas in Bewegung gesetzt, das sehe ich ihr an. Sie redet nicht mehr, sondern ignoriert uns. Sie denkt und denkt und hat vergessen, dass wir existieren.

Als wir wieder in Mumbai sind, hat Krähe beide Skizzenblöcke vollgezeichnet und braucht unbedingt neues Papier. Sie zeichnet sogar auf die Ränder von Edies Rudyard-Kipling-Wälzer.
    Ich habe versucht zu sehen, was sie malt, aber ausnahmsweise lässt sie mich nicht. Und als ich doch einen flüchtigen Blick erhasche, sehe ich nichts als Zwiebeltürme und Marmorreliefs. Bitte, bitte, bitte lass sie nicht auf Architektur umsatteln, weil es wirklich wichtig für mich wäre, dass sie eine realisierbare Sommerkollektion entwirft, damit ich meinen Job behalten kann. Doch ich sage nichts. Es bringt nichts, sie unter Druck zu setzen. Ihr Gehirn arbeitet in seinem eigenen Tempo, auf seine eigene Art. Ich kann nur abwarten und Tee trinken.
    Wir haben noch zwei Tage in Mumbai, bevor wir zurückfliegen. Nachdem wir fast unser ganzes Geld ausgegeben haben und keine Haarspange mehr in unsere ausgebeulten Koffer kriegen würden, fällt Shoppen aus. Beim Frühstück beschließen wir, dass jeder von uns sich eine Beschäftigung ausdenken muss, mit der wir die restliche Zeit füllen. Harry macht eine Liste und arbeitet den Plan für den nächsten Tag aus. Er ist viel besser organisiert, als man denken würde, wenn man ihn in seinem alten T-Shirt, den zerrissenen Jeans und den Haaren sieht, die seit einem Monat geschnitten gehören.
    Seit wir hier sind, will Edie unbedingt das Gateway of India sehen, das steht also ganz oben auf der Liste. Draußen auf der Straße ist es heiß und staubig. Ich wickele mir einen meiner neuen Baumwollschals à la Jenny um den Kopf und drücke die Tasche fest an mich. Ohne Mrs Patil an unserer Seite fühlt sich die Stadt sehr groß und ein bisschen bedrohlich an und uns wird klar, was für Fremdlinge wir sind.
    In kürzester Zeit kommen mehrere Jungen und junge Männer auf uns zu. Wollen wir Dollars in Rupien wechseln? Brauchen wir einen Führer? Wollen wir Statisten in einem Bollywood-Film sein? Selbst als wir losgehen, lassen sie nicht locker, rufen durcheinander und gestikulieren wild. Kurz kann ich nachfühlen, wie es sein muss, Sigrid Santorini

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