Modemädchen Bd. 2 - Wie Marshmallows mit Seidenglitzer
wird rot, und auf dem Rest der Fahrt zum Hotel sagt keiner mehr was.
»Was sagt er dazu?«
Es ist spät. Edie sitzt wieder an ihrem Laptop, um ihren Blog über »wichtige Kulturstätten in Mumbai« upzudaten und Phil per Instant Messenger über den Jungen in dem Kleid zu informieren.
Ihr Koffer steht ordentlich gepackt auf dem Bett. Ihr Waschbeutel und die Kleider, die sie morgen auf der Reise tragen wird, liegen ordentlich daneben. Außerdem die Bücher, die sie auf dem Flug lesen will. Sie sind zwar nicht alphabetisch geordnet, aber zuzutrauen wäre es ihr.
Ich stehe auf meinem Koffer, der wahrscheinlich nicht mal dann zugehen würde, wenn wir einen Elefanten draufsetzen würden. Du kannst nur eine begrenzte Menge neuer Sandalen, Schals und Souvenirs in einen Koffer stopfen, bis er aus allen Nähten platzt, und den Punkt habe ich längst erreicht. Und gerade ist mir eingefallen, dass meine letzte saubere Unterhose ganz unten liegt. Na toll.
Krähe starrt ihren Koffer einfach nur an, als könnte sie den Inhalt durch Hypnose schrumpfen lassen. Mit den in allen Regenbogenfarben schimmernden Seidenstoffen und Goldstickereien, die darin funkeln, erinnert er mich an eine Schatzkiste. Eine sehr volle Schatzkiste, die sich so bald nicht schließen lässt, egal wie lange Krähe sie anstarrt. Die Sachen sind einfach zu kompliziert, würde ich sagen.
Wir sind alle gespannt, was Phil zu dem Jungen mit dem Kleid zu sagen hat.
»Er meint, wir könnten versuchen in dem Perlenladen nachzufragen«, liest Edie vor. »Aber höchstwahrscheinlich sagen die uns nichts. Solche Operationen sind absolut illegal, weswegen die Beteiligten normalerweise sehr verschwiegen sind. Es ist, als würde man einen Drogendealer fragen, wo er seine Drogen herkriegt. Und ungefähr genauso gefährlich. Oh.«
»Oh was?«
»Er hat es sich anders überlegt. Er sagt, wir sollen auf keinen Fall in den Perlenladen zurückgehen. Er fleht uns geradezu an. Er sagt, in solche Geschäfte sind die miesesten Typen verwickelt. Falls es hier wirklich um Kinderarbeit geht, können wir uns leicht die Finger verbrennen. Er sagt, er kennt ein paar Leute in Mumbai, die sich dort mal umsehen sollen, wenn wir weg sind.«
»Aber die werden nichts finden«, erwidert Krähe. »Sie wissen gar nicht, wonach sie suchen müssen. Das weiß nur ich.«
Sie klingt ziemlich überzeugt von sich. Und wahrscheinlich hat sie Recht. Nur sie kann ihre Entwürfe wiedererkennen, wenn sie von einem davonrennenden Kind unter einem großen weiten Hemd getragen werden. Sie ist die Einzige, die in Sachen Mode diesen Röntgenblick hat.
Edie ist immer noch bei Phils Nachricht. »Außerdem meint er, dass alles auch ein großer Irrtum sein könnte. Selbst wenn es tatsächlich Svetlanas Kleid ist, könnte es aus der Fabrik gestohlen sein, oder es ist eine Kopie. Mode wird ständig abgekupfert.«
»Wir wissen also überhaupt nichts«, seufze ich. »Und er will nicht, dass wir mehr rausfinden.«
Edie nickt. »So ungefähr. Wenn wir uns nicht in Gefahr bringen wollen. Er sagt, es tut ihm leid, dass er mich – ich meine uns – da mit reingezogen hat.«
»Das kommt ein bisschen spät.«
Wenn ich daran denke, wie unglücklich Phil Edie gemacht hat, als No Kidding am Tag von Krähes Miss-Teen-Auftritt auf ihrer Website randaliert hat, dann muss es ihm schon sehr leidtun, um das wiedergutzumachen.
»Und was sagt er noch?«
»Ach … nichts Besonderes.«
Sie ist ganz schweigsam geworden. Sieht ihr gar nicht ähnlich. Ich schlendere durchs Zimmer und will einen Blick über ihre Schulter werfen, doch sie hält den Bildschirm zu und scheucht mich weg. Das wird ja immer besser. Als sie merkt, dass ich noch da bin, beendet sie den Instant Messenger.
»Hey, wenn du dich so für den Computer interessierst, nimm ihn.« Sie schließt das Programm, steht auf und setzt sich mit einem Buch aufs Bett.
Und weil ich meinen Koffer heute Abend sowieso nicht mehr zukriege, kann ich genauso gut ein bisschen googeln und meine E-Mails checken.
Krähes Sachen gehen gut auf eBay. Ich habe neun Einladungen zu Modenschauen und Partys. Drei Journalisten wollen ein Interview mit uns. Zwei Freundinnen aus der Schule wollen wissen, wie weit ich mit dem Pauken für Französisch bin. Ach, und Amanda Elat sagt, dass wir uns sicher freuen zu hören, dass Sigrid doch noch zugestimmt hat das Meeresgöttinnenkleid zu tragen, wenn auch mit gewissen Änderungen, die sie gerade machen lässt.
ÄNDERUNGEN?
Offensichtlich
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