Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Was sie nicht tut. Ich warte, dass sie im Atelier auftaucht, aber sie kommt nicht. Ich fange an mich zu fragen, ob ich einen Riesenfehler gemacht habe. Aber im Moment kann ich sowieso nichts tun, und außerdem werde ich Liam in weniger als zwölf Stunden wiedersehen. Was bedeutet, ich habe jede Menge andere Dinge, über die ich mir den Kopf zerbrechen muss.
Der erste Schultag ist Mittwoch. Soll heißen, Französisch. Soll heißen, ich wache um 4:45 Uhr auf und kann nicht mehr einschlafen. Was praktisch ist, denn ich brauche mindestens zwei Stunden, um ein Outfit zusammenzustellen, das lustig, aber nicht zu freakig ist und in dem ich eine gute Figur habe, ohne dass es so aussieht, als würde ich es drauf anlegen. Bis sieben Uhr ist mein Bett unter meiner gesamten Garderobe verschwunden. Am Ende ziehe ich einen Pullover aus weicher Merinowolle an, den Krähe mir zu Weihnachten geschenkt hat, silber und himbeerrot getigert, plus Jeans-Hotpants, Leopardenleggings und Doc Martens. Es ist bequem, warm und bunt. Und es spielt mit dem Dschungelthema, das mir gefällt.
Zum Frühstück kriege ich nur einen halben Toast herunter. Bis wir das Sprachlabor der Wetherby erreichen, klopft mein Herz so laut, dass man es wahrscheinlich auf der anderen Seite von London hören kann, dort wo die schicken Loftapartments sind.
Liam sitzt wie immer in der ersten Reihe. Er hat sich die Haare schneiden lassen und einen Teil seiner Locken eingebüßt, aber er ist immer noch so süß und küssenswert wie eh und je. Er ist nicht für das eiskalte Londoner Wetter angezogen. Er trägt ein Hemd mit offenem Kragen, einen Schnürsenkel als Krawatte und einen sehr alten, abgetragenen Blazer, der ihm mehrere Nummern zu klein ist.
Er sieht zum Anbeißen aus. Aber er ist in irgendein Gespräch mit Ashley vertieft, als ich vorbeikomme, und sieht nicht mal in meine Richtung. Ich bin mir sicher, dass er hören kann, wie mein Herz pocht, aber er lässt sich nichts anmerken. Kaum setze ich mich, nimmt er ganz beiläufig das Handy aus der Tasche und fängt unter dem Tisch zu tippen an. Sekunden später summt mein Telefon. Ich habe es auf dem Schoß, nur für den Fall. Vor lauter Aufregung landet es auf dem Boden. Glücklicherweise hat Madame Stanley mal wieder was vergessen und ist nicht da, um es zu konfiszieren.
Ich hebe mein Handy auf und lese die Nachricht. Es ist nur eine Zeile. »Grrrrr.«
Heißt es das, was ich glaube? Dass er, obwohl er den Kopf gesenkt hatte und nicht in meine Richtung gesehen hat, das Dschungelthema bemerkt hat? Ist er ein Leopard oder ein Tiger?
Ich muss lachen. Er hört mich, dreht sich um und grinst. Ja! Der Junge, dem ich per SMS einen Kuss geschickt habe, tut so, als wäre er ein Dschungeltier, um mich zum Lachen zu bringen. Ich bin so glücklich, dass ich kaum atmen kann. Ich grinse zurück. Selbst als unsere Lehrerin schließlich kommt und uns den Prüfungsplan austeilt, kann ich das Grinsen immer noch nicht abstellen. Mein Kopf sagt mir, dass ich cool, zurückhaltend und geheimnisvoll sein soll, aber es ist zu spät. Ich bin VIEL zu glücklich, um cool zu sein.
Nach der Stunde greift er nach meiner Hand, als ich vorbeigehe. Ich bleibe wie angewurzelt stehen, unfähig mich zu bewegen, und spüre die Wärme seiner Haut.
»Ich habe da eine Frage«, sagt er.
»Mhmm?«
»Ein paar von uns treffen sich, um unsere Uni-Bewerbungen durchzugehen. Damit wir sie vor der Abgabefrist richtig hinkriegen. Hast du Lust mitzukommen?«
»Wer, ich?«
»Ja, du. Wir treffen uns am Freitag im Computerraum, und danach gehen wir noch in ein Café um die Ecke.«
»Im Ernst?«
»Im Ernst«, versichert er mir.
Hinter ihm sehe ich, wie die Belles an der Tür stehen geblieben sind, und für den Moment wirken sie zu geschockt, um sich irgendwelche fiesen Kommentare auszudenken. Dann richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Liam.
»Ja. Toll. Klar. Klingt gut«, sage ich.
»Du bist wirklich nicht sehr gesprächig, oder?« Er lacht. Dann sieht er mich verunsichert an und wischt sich über den Mund. Ich schätze, ich habe ihn ein bisschen zu sehr angestarrt.
»Habe ich da was?«, fragt er.
»Noch nicht«, flüstere ich. Aber nicht laut genug, dass er es hört. Wenn wir unsere Uni-Bewerbungen fertig haben und einen oder zwei Cappuccinos getrunken haben, kann er gern mal meine Lippen auf seinen ausprobieren, wenn er mag.
»NONIE? OH MEIN GOTT!«
Jenny sitzt bei mir im Zimmer. Sie ist da, um mir das Neueste vom Kofferpacken zu erzählen.
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