Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
wollte ich einfach nur normal sein. Irgendwie war ich froh, dass du es nicht wusstest.«
Sie vielleicht, aber ich bin nicht froh.
»Ich hätte dir helfen können!«, entgegne ich.
»Du hast mir geholfen. Du warst immer lieb zu mir. Du wusstest nur nicht, dass du mir hilfst.«
Eine Pause entsteht. Wir müssen das alles erst mal verdauen.
»Und jetzt?«, fragt Edie. »Jetzt, wo sie dich mehr braucht denn je? Ich nehme an, du erwartest, dass ich für dich einspringe.«
Jenny schüttelt den Kopf. »Überhaupt nicht. Nett, wenn du es tust, aber wenn es nicht geht … Die Sache ist, Leute – das hier ist meine große Chance! In einer Show am Broadway auftreten? Mit achtzehn? So eine Chance bekommt man nicht zweimal im Leben. Ich muss das machen. Mum wird es verstehen.«
»Pah!«, sagt Edie verbittert. »Das musst du ja sagen.«
»Nein, ich meine es ernst. Sie wird es verstehen, weil es genau das ist, was sie immer für mich wollte. Wovon sie selbst geträumt hat, bevor sie meinen Vater kennenlernte. Sie wäre außer sich, wenn ich es nicht tun würde. Ihre glücklichste Zeit war die, als ich in Annie aufgetreten bin. Und letztes Jahr, als ich Theater gespielt habe. Sogar der Kinofilm hat ihr gefallen. Aber das hier ist eine ganz andere Nummer.«
»Das sehe ich auch so«, sagt Edie mit verschränkten Armen.
Krähe und ich seufzen erleichtert auf.
»Das hier ist wirklich eine andere Nummer«, fährt Edie fort. »Diesmal ist sie richtig krank. Wenn du gehst, will ich mir gar nicht ausmalen, was passiert.«
»Du kannst mich nicht erpressen«, sagt Jenny. Jetzt setzt sie die Sonnenbrille wirklich auf, dann packt sie ihre Tasche und steht auf. »Ich dachte, ihr würdet euch alle für mich freuen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ihr mich dafür … hasst.«
Ihre Stimme stockt, als sie sich umdreht und geht. Am liebsten würde ich sie zurückrufen und ihr sagen, dass sie alles falsch verstanden hat. Dass ich mich riesig für sie freue. Aber Edie zittert am ganzen Körper und ist kreidebleich. Im Moment scheint sie unsere Hilfe noch nötiger zu haben als Jenny.
Krähe und ich tun, was wir können, um Edie zu versichern, dass alles gut wird, aber wir haben keinen Erfolg. Es hilft nicht, dass uns auch keine Lösung einfällt. Wir können Jenny nicht davon abhalten, nach New York zu gehen, aber die Vorstellung, dass Gloria allein in der Wohnung bleibt, ist schrecklich. Außerdem hört uns Edie sowieso nicht zu.
Wir verfallen wieder in Schweigen. Ich denke an etwas, das Jenny gesagt hat. Dass man manche Chancen im Leben nicht zweimal bekommt. Und wenn man sie bekommt, muss man zupacken. Als hätte sie mir sagen wollen, dass es richtig von mir war, Krähes Skizzen an die Kamelhaarmänner zu schicken. Wenn Jenny nächstes Jahr am Broadway auftritt, fängt Krähe vielleicht in New York bei den Kamelhaarmännern an und entwirft ihre neueste Kollektion. Vielleicht können sich die beiden eine Wohnung teilen. Und Harry und Isabelle kommen zum Kaffee vorbei …
Edie kramt nach einem Taschentuch und wischt sich über die Augen. Anscheinend muss ich mich mehr anstrengen, wenn ich sie trösten will.
»Sei nicht so streng mit Jenny«, sage ich. »Du bist doch die, die immer nach Amerika wollte. Nach Harvard – schon vergessen?«
»Witzigerweise denke ich in letzter Zeit sehr viel daran«, gibt Edie zurück. »Ich habe die ganzen Ferien darüber nachgedacht. Und ich werde nicht gehen.«
»HALLO?«
»Du hast gehört, was ich gesagt habe. Ich gehe nicht nach Harvard. Ist ja klar, nachdem ich den Aufsatz verhauen und mich im Bewerbungsgespräch blamiert habe. Aber ich werde auch nicht Jura studieren. Ich will nicht mehr zu den Vereinten Nationen. Du hattest Recht, Nonie. Ich hasse es, weit weg von zu Hause zu sein. Ich glaube, ich bewerbe mich gar nicht an der Uni.«
»Oh. Mein. Gott. Das ist nicht dein Ernst, oder?«
Sie zuckt die Schultern. »Ich bin nur realistisch, Nonie.«
»Nein, bist du nicht! Du bist total verrückt geworden. Du bist der schlauste Mensch an der ganzen Schule. Du hast dich nur überanstrengt. Ehrlich, Edie, du brauchst eine Pause.«
Sie sieht mich hohläugig an. »Ja, ja. Wenn du meinst. Dann habe ich auch Zeit, mich um Gloria zu kümmern. So hat wenigstens Jenny was davon, oder?«
Ich starre sie an. Ich erkenne sie kaum wieder. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich sie im Moment besonders mag. Würde sie nicht so traurig aussehen, würde ich sagen, dass sie Gloria benutzt, um Jenny ein
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