Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
schlechtes Gewissen zu machen. Aber sie sieht TOTAL traurig aus. Ich weiß zwar, dass sie es sich wegen Harvard noch mal überlegt, wenn sie ausgeschlafen ist, aber im Moment scheint es ihr ernst zu sein. Und ich weiß einfach nicht, wie ich ihr helfen kann.
»Bitte, Nonie«, sagt sie. »Geh einfach.«
Das ist vielleicht nicht die beste Idee, aber im Moment habe ich auch keine bessere. Widerwillig gehorche ich. Krähe bleibt. Sie malt immer noch in ihrem Skizzenbuch herum. Ich lasse die beiden zurück und wünschte, ich wäre nicht hergekommen.
Zu Hause zieht Granny gerade ihren Mantel an.
»Das hat solchen Spaß gemacht, Darlings! Ich freue mich schon auf Juni.«
Mum räumt einen meterhohen Stapel Hochzeitszeitschriften weg. Harry sieht aus wie ein begossener Pudel.
»Nonie!«, flötet Granny und haucht mir einen Kuss auf die Wange. »Wir haben über die Brautjungfern gesprochen. Was hältst du von ecrufarbener Spitze? Eigentlich schlammfarben, aber Ecru klingt viel eleganter, findest du nicht? Was ist denn, Darling? Gefällt dir Ecru nicht?«
»Ecru ist okay«, lüge ich, um eine längere Diskussion zu vermeiden.
Na großartig. Ich werde eine schlammfarbene Brautjungfer. Juhu.
Während der nächsten Woche taucht Edie unter, indem sie zu ihren Großeltern fährt, und Krähe geht nicht ans Telefon. Was entweder heißt, dass sie mir aus dem Weg geht oder dass sie ihr Telefon verloren hat oder dass der Akku alle ist. Bei Krähe weiß man nie. Jenny dagegen ruft die ganze Zeit an. Ihre Hauptthemen sind, wie gemein Edie im V&A war, was sie für New York packen soll und Stricken. Ich versuche mich zu erinnern, warum ich sie so vermisst habe.
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Vicente ist wieder nach Brasilien abgereist, und Granny ist nach Hause gefahren. Oh, und ich habe eine SMS von Liam bekommen, der schreibt, ob ich schöne Weihnachten hatte und dass wir uns nächste Woche in Französisch sehen. Was ohnehin klar ist, also warum schlägt mein Herz wie wild und warum muss ich alle drei Minuten mein Handy rausholen und nachsehen, ob er noch mehr Nachrichten schickt?
Ich beschließe total cool zu bleiben und abzuwarten, bis die Schule wieder anfängt, bevor ich antworte.
Zwei Sekunden später schreibe ich zurück, dass Weihnachten super war (eine meiner vielen nicht-ganz-wahren Aussagen, aber dies ist nicht der Zeitpunkt für die ganze Krähe/Vicente/Jenny/Edie-Geschichte), und ja, wir sehen uns nächste Woche. Und ich mache ein x für einen Kuss ans Ende der Nachricht, weil sie mir sonst so nackt vorkommt. Na gut, vielleicht denkt er jetzt, ich bin freakig und verzweifelt, aber ich kann nicht anders.
Zwei Tage bevor die Schule anfängt, bekomme ich endlich eine E-Mail von den Kamelhaarmännern bezüglich der Skizzen, die ich ihnen geschickt habe. Sie verlieren kein Wort darüber, warum sie sich erst jetzt melden. Anscheinend ist das so in der Mode. Entweder man muss ein halbes Jahrhundert warten oder man muss in den nächsten zehn Sekunden etwas tun. Das ist eine Seite der Branche, an die ich mich inzwischen gewöhnt habe. Jedenfalls sagen sie, dass sie von Krähes Arbeit beeindruckt sind und dass sie sie den »betroffenen Interessenvertretern und anderen involvierten Parteien« gezeigt haben, und die seien auch begeistert von der Idee einer auf gemusterten Stoffen basierenden Teenager-Linie (mit wenigen kleinen Änderungen), und sie würden liebend gern »diesbezüglich mit der Designerin selbst in Kontakt treten«. Ich verspreche ihnen, dass die Designerin sich bei ihnen meldet, sobald sie kann.
Dann überlege ich eine Stunde lang, wie ich Krähe erzählen soll, was ich getan habe. Wahrscheinlich könnte ich sie einfach anrufen, aber ich glaube nicht, dass sie rangeht. Also schreibe ich eine lange E-Mail, in der ich erkläre, wie ich die Skizzen im Atelier gefunden habe und wie toll es ist, dass die Kamelhaarmänner so begeistert sind. Ich schicke ihr auch meine ursprüngliche E-Mail mit, damit sie sieht, wie sehr ich mich in die Sache reingehängt habe. Vielleicht ist es am Ende ganz praktisch, dass sich Krähe neuerdings mit E-Mails auskennt. Im Moment fällt mir das Schreiben jedenfalls leichter, als von Angesicht zu Angesicht mit ihr zu reden.
Ich warte ein paar Minuten auf eine Antwort, aber ich schätze, sie sitzt gerade nicht am Computer. Nichts. Am nächsten Tag auch nichts. Ich überlege, ob ich sie anrufen soll, aber ich habe das Gefühl, wenn sie mit mir reden wollte, würde sie mich anrufen.
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