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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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diesen Gedanken nachhing, unterhielt sich Rudi auf seine Weise. Ein herrliches Leben war das mit achtzehn Jahren und wenig Dienst in einer schönen fremden Stadt! Schnell hatte er sich mit den andern Bewohnern seines Stockwerks angefreundet, und ganz besonders mit Bele Tarantola, dem Dolmetscher des Hotels. Das war auch ein Levantiner, aber von angenehmerer Art als Rudis verflossener Chef. Sooft er Gäste des Hotels durch Port Said zu führen hatte, nahm er Rudi mit, wobei dieser reichlich Gelegenheit fand, das Sprachgeschick seines neuen Freundes zu bewundern. In einem Dutzend verschiedener Mundarten, je nach der Nationalität der Reisenden, erklärte Tarantola die Sehenswürdigkeiten der Stadt, und schon am zweiten Tage glaubte Rudi sie in- und auswendig zu kennen. Mit einer Mischung von Staunen und Ehrfurcht aber betrachtete er die Trinkgelder, die diese Führertätigkeit dem sprachkundigen Levantiner eintrug.
    Nach der Arbeit des Tages liebte Tarantola ein munteres Spielchen. Auch heute, am Abend des zweiten Tages, saß er in seinem Zimmer mit drei Genossen bei Wein und Karten. Rudi kiebitzte dabei. Könige und Asse flogen auf den Tisch, Geldstücke rollten hin und her, die Gläser wurden leer und ebenso oft wieder frisch gefüllt, bis der Stoff knapp wurde. Suchend sah sich Tarantola, der gerade ein neues Spiel in der Hand hielt, im Zimmer um. »He, Rudi, geh mal an meinen Schrank! Da drin müssen noch ein paar Flaschen Samos stehen. Bring sie her!«
    Rudi tat, wie ihm befohlen. Der alte geräumige Schrank war mit allerlei Kleidern dicht vollgehängt. Bis zur Schulter mußte der Junge mit dem Arm zwischen die Kleidungsstücke fahren, um irgendwo im Hintergrunde die gewünschten Flaschen zu erfassen.
    Jetzt fühlte er eine und zog sie heraus. Er steckte den Arm wieder zwischen die Kleider, um die andern zu suchen. Da spürten seine Finger etwas anderes – Leinwand – weich, nachgiebig, so eigenartig, als ob noch Gummistoff unter der Leinwand wäre. Augenblicklich kam ihm seine Entdeckung in der Kabine Rasatis in Erinnerung. Die Beutel damals unter der Kojendecke hatten sich auch so angefühlt. Er fuhr mit der Linken in den Schrank und brach:e eine Flasche nach der andern zum Vorschein, während er mit der Rechten weitertastete. Kein Zweifel, da hielt er eben so einen Beutel, wie damals in der Kabine Rasatis. Jetzt fühlte er noch eine ganze Reihe gleichartiger Säckchen daneben.
    »Go on, boy! Dépechez-vous, s’il vous plait! Avanti, mio caro! Ein bißchen fix, Rudi, wir verdursten hier!« traf ihn die Stimme Tarantolas.
    Schnell holte er auch mit der Rechten noch eine Flasche heraus, schloß den Schrank und machte sich daran, die neue Batterie aufzubauen und zu entkorken.
    Spiel und Trunk nahmen ihren Fortgang. Rudi hielt es für zweckmäßig, weiter in der Gesellschaft zu bleiben. Ein plötzlicher Aufbruch jetzt, sagte er sich, könnte möglicherweise irgendeinen Verdacht erwecken. Aber seine Gedanken waren nicht mehr bei dem Spiel. Seine Neugier war erregt. Die Beutel da in dem Schrank gingen ihm nicht aus dem Sinn. Irgendwie, das stand fest bei ihm, mußte er hinter dieses Geheimnis kommen. Noch als er sein Lager aufsuchte, verfolgte ihn dieser Gedanke.
    Am folgenden Vormittag nahm Doktor Gransfeld Rudis Dienste stark in Anspruch. Die Koffer mußten fertiggepackt werden, denn schon gleich nach Tisch sollte sie das Hotelauto an Bord der »Warana« bringen. Mit Eifer war Rudi beim Packen und zeigte, was er auf diesem Gebiet gelernt hatte. Geschwind und geschickt legten seine Finger die Kleidungsstücke in die richtigen Falten und brachten sie in einem Mindestmaß von Raum unter. Bald konnte er die letzten Riemen zuschnallen und seinem Herrn die Kofferschlüssel übergeben. Dann fuhr er im Lift nach oben, um seine eigenen Habseligkeiten reisefertig zu machen.
    Während er durch den Gang zu seinem Zimmer schritt, kamen ihm die Beutel in Tarantolas Schrank wieder in den Sinn. Die Gelegenheit war günstig. Der Dolmetscher war jetzt mit einer größeren Gesellschaft in der Stadt und würde kaum vor der Essenszeit zurückkommen. Fraglich war es nur, ob sein Zimmer offen oder verschlossen war. Rudi ging den Flur weiter bis zu der Tür. Sie stand halb offen, und er schlüpfte in das Zimmer. Ein wenig einladendes Bild bot sich ihm hier. Auf dem Tisch sah man noch die Spuren des gestrigen Gelages, benutzte Gläser, Weinflecke und Reste von Tabakasche. Vor dem Bett stand ein Eimer. Ein nasser Lappen lag daneben, ein

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