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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Schrubber lehnte gegen das Bett.
    Rudi übersah die Lage. Das Zimmermädchen, mit der Säuberung des Zimmers beschäftigt, war offenbar irgendwie abgerufen worden und konnte jeden Augenblick zurückkommen. Eile tat not. Schnell sprang er zu dem Schrank, öffnete die Tür und beugte sich tief hinein, um nach einem Beutel zu greifen.
    Da hörte er Schritte auf dem Gang. Nur der eine Gedanke hatte in ihm Raum: sich hier nicht finden lassen! Der geräumige Schrank bot Platz. Er huschte hinein, zog die Tür hinter sich zu und zwängte sich in eine Ecke hinter die Kleidungsstücke. Kaum war dies geschehen, als ihm das Verkehrte seiner Handlungsweise klar wurde. Kam jetzt das Zimmermädchen zurück, dann konnte er hier mindestens eine halbe Stunde stecken, bis sie mit dem Aufräumen fertig war, und wenn sie nachher die Stubentür abschloß, saß er erst recht in der Falle.
    Doch schon war es zu spät. Er hörte die Zimmertür aufgehen und vernahm Schritte auf der Diele, Schritte, die für ein Zimmermädchen viel zu schwer waren. Wer kam da? Das Herz schlug Rudi bis in den Hals. War es etwa Tarantola? Kam dieser doch schon früher zurück? Rudi begann sein Abenteuer zu verwünschen. So eng wie möglich schmiegte er sich an die Hinterwand des Schrankes und zog die vor ihm hängenden Kleider zusammen. Immer näher kam das Knarren der Dielen. Er hörte, wie jemand nach dem Schrankschlüssel griff, hörte – das Blut drohte ihm zu stocken – die Stimme Tarantolas, der vor sich hin schimpfte, weil der Schrank nicht verschlossen war.
    Ein schwacher Lichtschein drang in Rudis Augen. Durch eine schmale Lücke zwischen den Kleidungsstücken konnte er beobachten, wie Tarantola sich bückte, in den Schrank griff und einen jener Beutel herausnahm. Ohne die Schranktür wieder zu schließen, ging er zurück und nahm aus der Tischschublade ein Dutzend kleiner Pappschachteln. Nun öffnete er den Beutel, füllte die Schachteln daraus mit einem weißen Pulver und ließ sie in seinen Taschen verschwinden. Sorgfältig schnürte er danach den Beutel wieder zu und stellte ihn in den Schrank zurück. Die Tür knarrte. Um Rudi wurde es wieder dunkel. Er hörte, wie der Schrankschlüssel im Schloß umgedreht wurde. Die Schritte entfernten sich und verklangen auf dem Flur.
    Gefangen! Im Schrank eingeschlossen! Eine abscheuliche Geschichte! Langsam wurde Rudi seiner Aufregung Herr. Allmählich begann sein Herz wieder ruhiger zu schlagen. Gefangen? Ah bah! Er war nicht der Mann danach, sich in einem alten wackligen Schrank fangen zu lassen. Seine Rechte griff in die Hosentasche und holte ein kräftiges Messer heraus. Er schob sich durch die Kleidungsstücke nach vorn und öffnete die Klinge. Ein feiner Lichtstreif verriet ihm die Türspalte. Dicht unter dem Schloßriegel schob er die Klinge in den Spalt. Ein kurzer Ruck – krachend ging die Tür auf. Mit einem Satz sprang Rudi aus dem Schrank und warf die Tür zu.
    Tief aufatmend stand er einen Augenblick im Zimmer und blickte sich nach allen Seiten um. Mechanisch klappte er das Messer wieder zu und ließ es in der Tasche verschwinden. Dann warf er einen Blick in den Flurgang. Weit und breit war niemand zu sehen. Sollte er jetzt unverrichteter Dinge abziehen, das Abenteuer aufgeben, nachdem das Schlimmste vorbei war? Nein, nun gerade nicht! Der Sicherheit halber drückte er die Zimmertür ins Schloß. Dann machte er den Schrank wieder auf und griff sich einen Beutel heraus. Nun tat er genau das, was er eben bei Tarantola gesehen hatte. Er holte sich auch eine Pappschachtel aus dem Tischkasten, füllte sie mit dem weißen Pulver und steckte sie in die Tasche. Dann band er den Beutel zu, stellte ihn zurück und schloß den Schrank.
    Als er in sein Zimmer zurückkehrte, sah er am andern Ende des Flures das Stubenmädchen herankommen. Keine Minute zu früh, dachte er, als er das eben erbeutete Schächtelchen zusammen mit andern Dingen in seinen Koffer packte.
    Seit drei Tagen war die »Warana« in See. Drei Tage zählen an Bord eines Schiffes soviel wie drei Monate auf dem Lande. Reisebekanntschaften waren geschlossen worden, und schon begannen die Fahrgäste sich wie eine große Familie zu fühlen. Gransfeld hatte in Doktor Krone, dem Arzt der »Warana«, einen Studienfreund aus seiner Tübinger Zeit getroffen, und die alte Bekanntschaft wurde wieder aufgefrischt.
    Am Nachmittag schlug das Wetter um. Eine eisige Bora peitschte das Meer und machte den Aufenthalt auf Deck ungemütlich. Ein Teil der

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