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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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auf, da können sie uns nicht entgehen!«
    Im Morgengrauen passierte die »Warana« Cuxhafen und fuhr elbaufwärts. Am frühen Nachmittag lief sie mit halber Maschinenkraft in den Hamburger Hafen ein. Der Tender kam längsseits und übernahm die Reisenden und ihr Gepäck. Ein buntes Durcheinander herrschte auf dem kleinen Schiff. In dem Gewimmel vermißte Gransfeld plötzlich seinen Begleiter. Vergebens blickte er suchend nach allen Seiten.
    Schon schob sich der Tender an den Zollkai heran. Wenige Minuten noch, dann würde die Landungsbrücke fallen. Da spürte Gransfeld ein Zupfen am Ärmel. Als er sich umdrehte, stand Rudi hinter ihm. »Ich hab’s«, flüsterte er. »Eine Rumänin, Frau Helena Dimitriescu, reist mit den Koffern, die große, schlanke Dame da vorn an Backbord neben den beiden Matrosen.«
    »Bravo, Junge! Wie hast du das so schnell herausbekommen?«
    »War ein glücklicher Zufall, Herr Doktor. Ich hatte mich an die Koffer gemacht und eben den Namen gelesen, da kam eine Dame heran, gab einem der Matrosen ein Trinkgeld und zeigte dabei auf die beiden Koffer. Na, da war’s ja sonnenklar!«
    »Gut, Rudi. Bist du auch vorsichtig gewesen und nicht etwa irgendwie aufgefallen?«
    »Keine Spur, Herr Doktor! Nahe dabei lagen unsere Koffer. Die habe ich einem andern Matrosen gezeigt und ihm ein Trinkgeld gegeben. So war die Sache doch ganz unauffällig.«
    »Hoffen wir, mein Junge!« sagte Gransfeld.
    Der Tender machte am Kai fest. Laufbrücken wurden auf das Deck geschoben, Reisende und Gepäck kamen in die große Zollhalle. In alphabetischer Reihenfolge nach den Namensschildern wurden die Gepäckstücke von den Trägern auf den langen Tischen ausgelegt. D ist von G nicht weit im Alphabet entfernt. So blieb Gransfeld in der Nähe der Dimitriescu, während Rudi draußen schon eine Autodroschke mit Beschlag belegte. Diese Vorsicht erwies sich als nützlich, denn die Rumänin wurde von einem Privatauto erwartet und fuhr unmittelbar nach der Zolldurchsicht ab.
    »Folgen Sie dem Wagen vor uns!« befahl Gransfeld dem Lenker. »Wir wollen in dasselbe Hotel.« Das war verkehrt, wenn sie etwa gar nicht zu einem Hotel fährt, fuhr es ihm im gleichen Augenblick durch den Sinn.
    Die Fahrt ging nach dem Viertel an der Binnenalster. Vor dem Kolumbiahotel hielt das Privatauto. Auch Gransfeld mit seinem Begleiter nahm dort Wohnung. Der Jagdeifer war in ihm erwacht. Unwillkürlich fühlte er, daß der Tip mit den Koffern ihn auf der einmal aufgenommenen Spur weiterbringen müsse, weiter, immer weiter – bis sich an ihrem letzten Ende vielleicht die Statuette des Sethos wiederfand. »Die Augen auf, Rudi!« mahnte er den Jungen. »Paß’ auf wie ein Schießhund, aber sei vorsichtig! Der Zufall könnte es wollen, daß irgendwer da ist, der dich von früher her kennt.« —
    Gransfeld war noch dabei, sich für das Abendessen umzukleiden, als Rudi zu ihm ins Zimmer zurückkam. »Herr Doktor, ich glaube, unten im Empfangszimmer den Holländer von der ›Usakama‹ gesehen zu haben.«
    Gransfeld pfiff durch die Zähne, dann fragte er: »Den Holländer? Van Hülsten? Meinst du etwa den?«
    »Ja, ich glaube, er ist es«, entgegnete Rudi.
    »Du glaubst? Na, Rudi, den Menschen mußt du doch genau kennen, von damals auf der ›Usakama‹, du weißt doch!«
    »Ja, Herr Doktor, gerade darum. Ich denke, ich kenne ihn genau, aber der hier – sieht ihm zwar ähnlich und ist doch wieder verändert.«
    Gransfeld schlug ihm lachend auf die Schulter. »Wenn er anders aussieht, dann ist er’s bestimmt.«
    Rudi starrte seinen Herrn verständnislos an.
    Der sagte, immer noch lachend: »Das habe ich nämlich schon in Port Said herausbekommen, daß der Holländer Namen und Aussehen nach Belieben wechselt. Aber, mein Junge, er kennt dich sehr genau und hat dich bestimmt in keiner guten Erinnerung. Verschwinde auf dein Zimmer und laß dir da etwas zu essen geben! Vorläufig, Rudi, untertauchen, unsichtbar bleiben!«
    Gransfeld selbst ging zum Abendessen in den Speisesaal. Seine Augen brauchten nicht lange zu suchen. Da saß die Rumänin und am selben Tisch mit ihr – gewiß, das war van Hülsten oder van der Meeren oder wie er sonst heißen mochte. Er war’s, wenn er Gransfeld heute auch wieder anders vorkam als bei den früheren Begegnungen. Er hatte eine andere Haartracht, andere Haarfarbe, veränderte Gestalt. Mynheer haben seit Port Said wieder etwas zugenommen, stellte Gransfeld fest.
    Nach dem Abendessen saß der Doktor in der Vorhalle.

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