Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
Vom Netzwerk:
Ruck gäbe. Die hemmende Kraft des Eibstromes war gebrochen. Der Ballon kam frei und trieb in schnellem Flug weiter nach Nordwesten.
    »So, das wäre geschafft.« Noch einmal sah Henke nach dem Höhenzeiger. Der stand unbeweglich. Bei fünfzehnhundert Meter hatte der Ballon nach der zweiten Ballastabgabe eine neue Gleichgewichtslage gefunden, die er, vorläufig wenigstens, unverändert beibehielt.
    Bisher war Henke vollständig von der Führung des Ballons in Anspruch genommen worden. Jetzt endlich konnte er sich ein wenig Ruhe gönnen. Er klappte den Sitz in der Korbecke herunter und ließ sich darauf nieder. Nun erst, als er zur Ruhe kam, spürte er, wie sehr ihn die letzten Stunden doch mitgenommen hatten. Die Auseinandersetzung mit dem Werkmeister und mit Altmüller – zuletzt noch das Abenteuer mit dem Lümmel, dem Wagner. – Er zog die Taschenlaterne und leuchtete diesem ins Gesicht. So schnell Rudi auch die Augen schloß, Henke hatte doch gesehen, daß sie vorher offen waren.
    »Na, mein Bürschchen, hast wohl nicht gedacht, daß du heute noch mit deinem lieben Freunde Henke eine Luftreise machen würdest?«
    Noch einmal ließ er die Lampe aufblitzen und überzeugte sich, daß sein unfreiwilliger Fluggast zuverlässig gefesselt war.
    »He, du Lümmel, hast es nicht nötig, dich tot zu stellen. Ich weiß ja doch, daß du alles hörst, was ich sage.«
    Rudi zog es vor, weiter zu schweigen. Henke griff nach seiner Brusttasche. Ob er sich eine Zigarre anstecken könnte? Einen Augenblick liebäugelte er mit dem Gedanken, dann schob er die Zigarrentasche wieder zurück! Lieber nicht! Sicher war bei dem letzten Steigen wieder eine beträchtliche Menge Wasserstoff aus dem Ballon getreten. Man konnte nicht wissen, wieviel von dem völlig geruchlosen Gas hier noch in nächster Nähe in der Atmosphäre war. Sollte er etwa eine Knallgasexplosion in fünfzehnhundert Meter Höhe heraufbeschwören? Nein, dazu hatte er doch schließlich den Flug nicht unternommen. Zur Not tat es auch Kautabak. Während er sich ein Stück davon zwischen die Lippen schob, sah er noch einmal auf den Höhenzeiger und die Landschaft unter dem Korb.
    »Alles in Ordnung. Na, Herr Wagner, da haben wir ja Zeit. Können uns mal etwas gebildet unterhalten. Man hat sich also unter einer Verkleidung wieder in das Werk geschlichen. Man ist auf das Postamt gegangen und hat fremde Briefe abgeholt. Man bildet sich ein, daß das bis in die Puppen so weitergeht. Aber da hat man sich geirrt, Herr Wagner. Herr Henke ist auch kein Siebenmonatkind. – Na, Lausejunge, elender, wirst du endlich antworten?« Er stieß mit dem Fuß nach der Ecke hin, in der Rudi lag.
    Sobald Rudi wieder zum Bewußtsein gekommen war, hatte er sich den Kopf zermartert, wie er aus dieser Klemme herauskommen könne. Daß seine Lage mehr als bedenklich war, darüber gab er sich keiner Täuschung hin. Zu gut wußte er ja, daß Henke zu allem fähig war. Und er selbst war gefesselt, jedem Angriff dieses Verbrechers wehrlos ausgesetzt. Erst einmal frei werden, sich der Banden entledigen, das mußte das nächste sein. Doch allzu fest hatte Henke ihm die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt. Vergeblich blieb jeder Versuch, mit den Fingern zu dem Knoten zu gelangen und ihn zu lösen.
    Während der ersten Stunde des Fluges, als Henke noch ganz durch die Führung des Ballons in Anspruch genommen war, hatte Rudi sich bereits vorsichtig herumgewälzt, hatte, so gut es ging, umhergetastet, ob sich nicht vielleicht irgendwo und -wie etwas fände, an dem er die Handfesseln unbemerkt zerreiben könnte. Doch alles Suchen war vergeblich gewesen.
    Oh, wenn es ihm doch gelänge, die Hände frei zu bekommen! Dann war das Schlimmste überwunden. Dann sollte dieser Verbrecher ihn erst richtig kennenlernen.
    »Antworte, elender Lümmel, oder …« Henke stürzte sich auf den Liegenden und packte ihn. Er riß ihn empor, daß er in eine Korbecke zu sitzen kam. »Lump, soll ich dich über Bord schmeißen? Willst du endlich antworten?«
    Rudi fühlte zweierlei: Erstens, daß er Henke jetzt antworten mußte, wenn’s ihm nicht sofort ans Leben gehen sollte. Er fühlte zweitens – in der Korbecke hinter sich einen verhältnismäßig scharfkantigen Blechbeschlag.
    Zeit gewonnen, alles gewonnen! Wenn es ihm gelang, dabei seine Handfesseln durchzureiben, dann konnte noch alles gut ausgehen.
    »Willst du antworten, Schuft!« Henke stürzte sich wieder auf ihn und versuchte ihn emporzureißen.
    »Ha – ja?

Weitere Kostenlose Bücher