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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Ist’s schon Zeit zum Aufstehen?« Rudi spielte den eben erst zum Bewußtsein Kommenden. »Ja, Mutter Federsen, gleich! Ja, ich komme gleich.«
    Henke schüttelte den Kopf. Hatte er sich geirrt? War der Bengel doch bis jetzt bewußtlos gewesen? Möglich war’s immerhin. Er hatte nicht schlecht zugeschlagen, als ihm der so unerwartet in die Quere gekommen war.
    »Quatsch nicht, Bengel! Hier ist keine Mutter Federsen, hier ist dein lieber Freund, Herr Henke.«
    Rudi spielte den Erschrockenen. »Herr Henke? Was ist mit Henke, Mutter Federsen? – Ah!« Er bewegte die Schultern, als ob er sich mit den Händen ins Gesicht fahren wollte. »Meine Hände! Was ist denn? Ich kann mich ja gar nicht rühren.«
    Es schien, als ob er es immer wieder versuchte, die Hände freizubekommen. Unaufhörlich rieb er dabei die Fessel an der scharfen Kannte.
    »Nee, Herr Wagner, dafür hat Henke gesorgt, daß du deine Arme nicht mehr bewegen kannst. Mal raus mit der Sprache! Hast du meine Briefe abgeholt?«
    Rudi sah ihn verständnislos an und spielte seine Rolle weiter. »Ihre Briefe, Herr Doktor? Ich weiß von keinen Briefen.«
    »Lümmel, elender, nimm dich zusammen!« Henke stieß ihn kräftig vor die Brust. »Bist hier nicht bei deinem Doktor, dem verdammten Schnüffler. Sprichst mit mir, mit Henke! Hast du verstanden?« Ein Rippenstoß begleitete die Frage.
    »Au, Sie tun mir weh! Was ist denn? Wo bin ich?« Erst jetzt schien Rudi vollständig zum Bewußtsein zu kommen.
    »Hier bin ich? In einem Korb? – Ein Ballon – wir fliegen wohl?«
    »Richtig geraten, Herr Wagner! Scheinst ein kluges Köpfchen zu haben. Schade, daß du’s zu verkehrten Dingen benutzt. Hätte sonst vielleicht was Brauchbares aus dir werden können. Hm – na, ist noch nicht aller Tage Abend. Vielleicht überlegst du dir’s noch. Wirst wohl von dem Doktor für deine Schnüffelei gut bezahlt?«
    Rudi merkte, daß die Blechkante schon eine merkliche Narbe in seine Handfessel gerieben hatte.
    Eine Stunde, eine gute Stunde vielleicht noch, dachte er bei sich, dann ist der Strick durch, dann wollen wir anders zusammen reden. Laut fuhr er fort: »Ich werde von dem Herrn Doktor gar nicht gut bezahlt. Bloß freie Station, selten mal ein Taschengeld. Als Steward habe ich viel mehr verdient.«
    »Esel, warum bist du nicht dabei geblieben? Hättest als Steward noch viel besser verdienen können, wenn du dich ein bißchen unter die Leute geschickt hättest. Kenne mehr als einen, der als Steward gefahren ist. Konnten sich nachher zur Ruhe setzen und sich ein Haus kaufen.«
    Rudi spielte den Erstaunten. »Ach, Herr Henke, wie ist das möglich? So viel Trinkgelder gibt’s doch gar nicht.«
    »Frag nicht so dämlich, Lümmel! Willst mich wohl wieder dumm machen? Du weißt doch genau Bescheid, wie man als Steward nebenbei verdienen kann. Kannst dir’s ja noch ein Weilchen überlegen.« Er warf einen Blick auf die Instrumente und stutzte. Nur noch hundert Meter wies der Höhenzeiger. Nahe unter dem Korbe zogen die Kronen einer ausgedehnten Kiefernwaldung mit beträchtlicher Schnelligkeit dahin. Der Horizont im Nordosten war inzwischen viel lichter geworden. Die Umrisse der Landschaft ließen sich schon ziemlich deutlich erkennen, die Morgendämmerung stand dicht bevor. Mit Uhr und Plan versuchte Henke sich zu orientieren. Der Wald da unten konnte nach der Karte nur der letzte Ausläufer der Lüneburger Heide sein. Über den mußte er noch hinweg. Dann war er in der Nähe von Harburg, konnte landen und Unterschlupf bei seinen Freunden suchen.
    Langsam war der Ballon inzwischen weiter gefallen. Ganz nahe rauschten die Kiefernkronen unter dem Korb, während das Ende der Waldung noch nicht abzusehen war. Jetzt erregte eine merkwürdige Erscheinung Henkes Aufmerksamkeit. Obwohl der Ballon immer noch in flotter Fahrt nach Nordwesten trieb, spürte er aus dieser Richtung her einen merklichen Gegenwind. Vergebens suchte er sich dies zu erklären. Nach allem, was er wußte, mußte über dem Korb eines freifliegenden Ballons stets vollkommene Windstille herrschen. Aber je näher der Korb den Baumkronen kam, desto stärker wurde der unerklärliche Gegenwind. Er überlegte angestrengt. Der Ballon flog zweifellos mit Südostwind nach Nordwesten. Hier unten im Korb kam ihm von Nordwesten her Wind entgegen. Also mußte der Südostwind hier unten nicht so stark sein, wie oben am Ballon.
    Ah, jetzt glaubte er’s zu haben. Natürlich, das mußte des Rätsels Lösung sein. Dicht über den

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