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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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beobachtete er den Wind. »Steifer Südost. Um zwölf komme ich weg von hier. Wenn der Wind so bleibt, kann ich lange vor Helligkeit in Sicherheit sein. Vielleicht geht’s in die Lüneburger Heide. Na, das muß sich finden. Die dummen Gesichter möchte ich sehen, wenn die hier morgen früh zu ihrem Ballon kommen. – Nein, schon besser, ich sehe sie nicht. Weit davon ist gut für den Schuß.«
    Er mußte sich wieder um den Ballon kümmern, die Sandsäcke weiter abhängen und neue hinzufügen. Die Hülle war jetzt mehr als zur Hälfte gefüllt und stand, nur von den Sandsäcken am Netzrand gehalten, frei in der Luft. Bedenklich sah Henke sie an.
    »Dumme Geschichte! Wind ist gut beim Fliegen, aber schlecht beim Füllen. Gut, daß der Ballon hier im Windschatten von dem Gasometer steht, sonst könnte die Sache am Ende noch schief gehen.« Wieder warf er einen Blick auf die Uhr. Es war in zwanzig Minuten zwölf. »Alle Wetter, wie die Zeit vergeht! Ob mich der Altmüller schon vermißt? Hoffentlich macht der Schafskopf keine Dummheiten und rennt nicht etwa zum Meister. Zuzutrauen ist dem alles. Na, hoffentlich sind wir bald so weit.«
    Unter der fortschreitenden Gasfüllung begann sich jetzt auch die untere Hälfte des Ballons zu blähen, wurde straff und immer straffer. Prüfend schlug er ein paarmal mit der Kante der flachen Hand dagegen.
    »Genug jetzt!« Er lief zum Ventil und drehte es zu. Dann trennnte er den Gasschlauch vom Füllansatz des Ballons und band den Ansatz mit einer Schnurschlaufe zu. »So, jetzt den Ring!« Er holte den leichten Korbring herbei, verknebelte ihn nach unten mit den vier starken Tragseilen des Gondelkorbes und nach oben mit den sechzehn schwächeren Leinen, in die die Maschen des Ballonnetzes zusammenliefen.
    »Gräßliche Schufterei!« Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, rannte weiter, schleppte neue Sandsäcke heran und hing sie an den Rand des Gondelkorbes. Dann fing er an, die letzten Säcke vom Netz abzuhaken.
    »Schweinerei, elende! Ein Dutzend Leute haben sie sonst dazu, und ich muß alles allein machen.«
    Es war in der Tat keine leichte und auch keine ungefährliche Arbeit. Er mußte vom Ring aus an den einzelnen Seilen bis zum Netzrand emporklettern, um die Sandsäcke abzuhaken, die er dann zur Erde warf. Doch endlich war auch das geschafft. Frei und prall stand der Ballon hoch über dem Korb, der durch einen starken Überballast auf dem Erdboden festgehalten wurde. Aus dem Füllansatz hingen die weiße runde Ventilschnur und die breite rote Reißleine frei in den Korb hinunter.
    »Uff, das ist geschafft! Jetzt noch den Rucksack! Hundertund zwanzig Pfund Heroin – eine feine Visitenkarte, wenn ich damit zu meinen Leuten komme!« Er ging zu dem Schrottstapel, um den Rucksack zu holen. Eine Weile mußte er im Dunkeln danach tasten.
    Jetzt fühlte er ihn und wollte eben danach greifen, als ein metallischer Klang ihn zusammenschrecken ließ. Aus nächster Nähe war der Ton gekommen, von dem Blechhaufen her, der dicht bei dem Schrottstapel lag.
    Zum Teufel, was war das? Wollte ihm da einer noch im letzten Augenblick einen Strich durch die Rechnung machen? Er sprang zu dem Haufen hin, entschlossen, jeden niederzuschlagen, der ihm hier in die Quere kommen wollte. Da war nichts zu sehen, und da auch nicht – da aber, in dem Schatten, hatte sich da nicht irgend etwas Unbestimmtes, Undeutliches bewegt?
    Wie ein Tiger stürzte er darauf los, bekam ein menschliches Wesen bei den Schultern zu packen und zerrte es mit brutaler Gewalt aus dem tiefen Schatten in die unsichere Beleuchtung des freien Platzes.
    Ein Fabrikarbeiter schien es zu sein, ein alter Mann mit grauem, schütterem Bart, den er gegriffen hatte. Doch der Kerl wehrte sich mit unglaublicher Kraft und Gelenkigkeit. Um ein Haar hätte er sich losgerissen und wäre entschlüpft. Erst im letzten Augenblick vermochte Henke ihn noch zu packen und riß ihn nieder, daß er stolperte. Mit aller Wucht versetzte er dem Fallenden einen Faustschlag gegen die Schläfe, der ihn betäubte.
    »So, da bleib liegen und guck dir die Sterne an! Na, Alter, wirst doch nicht gleich in die Binsen gehen? He, du, lebst du noch?«
    Er griff dem Alten in den Bart, wollte ihn daran zausen und – stand einen Augenblick wie gelähmt.
    Der Bart war ihm in der Hand geblieben. Ein junges, glattes Kinn kam darunter zum Vorschein.
    »Wie? Was? – Was ist das?« Blitzartig durchzuckte Henke ein Verdacht. Mit einem Sprung war er bei dem Korb, eilte

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