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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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Baumkronen wurde der Wind stark abgebremst. Während der Ballon mit der Geschwindigkeit der höheren, schnelleren Luftströmung trieb, mußte hier unten schon ein scheinbarer Gegenwind auftreten. Über seine Entdeckung befriedigt, öffnete er einen Sandsack und gab ein paar Hände heraus. So, das würde wohl genügen, um über den Wald wegzukommen. Und dann – er wandte sich wieder zu seinem Gefangenen. »Na, Bengel, hast du dir überlegt, was ich vorhin sagte? Vielleicht ist’s noch Zeit für dich, umzusatteln.«
    »Ich verstehe nicht, Herr Henke. Wie meinen Sie das?«
    »Sehr einfach, dummer Junge! Mußt deinen lieben Doktor schießen lassen und zu uns kommen.«
    Eine unvorsichtige Bewegung Rudis ließ ihn aufmerken. Mit einem Satz war er über ihm und riß ihn zur Seite. Im Halblicht der Dämmerung sah er, daß die Fessel schon über die Hälfte durchgerieben war.
    »Lump elender, ich will dich lehren!«
    Mit einem frischen Seilende fesselte er ihm die Hände aufs neue.
    »So, jetzt ist’s verspielt. Hast dir dein Schicksal selbst zuzuschreiben. Hättest zu uns kommen können. Na, wer nicht will, der hat schon.«
    Der Ballon hatte sich inzwischen dem Rande der Waldung genähert. Henke griff nach der weißen Leine und zog daran. Ein leichtes Klinken der Ventilfedern klang vom Oberteil des Ballons. Gas strömte aus, zusehends fiel der Ballon. Hinter den letzten großen Randbäumen setzte der Korb auf den Boden auf. So stark war der Windschatten hier noch, daß der Korb ruhig stehen blieb und der Ballon sich nur schwach neigte.
    Wie eine Katze kletterte Henke im Tauwerk empor und griff nach dem Füllansatz. Ein Messer blinkte in seiner Hand. Dann glitt er wieder in den Korb zurück und schnallte sich den Rucksack an. »Glückliche Fahrt, Herr Wagner, viel Vergnügen! Grüßen Sie mir den Doktor recht schön, wenn Sie ihn treffen!«
    Den Rest hörte Rudi nicht mehr. Mit einem Schwung war Henke über den Korbrand auf den Boden gesprungen. Der Ballon, doppelt entlastet, um Henkes Gewicht und das des schweren Rucksackes erleichtert, schoß mit großer Geschwindigkeit in die Höhe.
    Minuten vergingen. Rudi fühlte ein unangenehmes Klingen und Knacken in den Ohren. Mühsam wälzte er sich in eine andere Lage, in der er den Höhenzeiger sehen konnte. Dreitausend Meter wies das Instrument, und langsam stieg der Zeiger immer noch weiter. Mit großer Anstrengung gelang es ihm, sich so weit aufzurichten, daß er einen Blick über den Korbrand werfen konnte. Tief, tief unter ihm lag das Land. Rechts voraus schimmerte am fernen Horizont ein breiter Flußlauf.
    Schrecken ergriff ihn. Hilflos war er hier der Gewalt der Elemente ausgeliefert. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde der Wind den Ballon in kurzer Zeit in das offene Meer hinaustreiben. Nur eine Möglichkeit der Rettung gab’s noch: er mußte landen, bevor der Ballon auf seinem verhängnisvollen Flug die See erreichte. So schnell wie möglich mußte er sich freimachen. Kostbar war jetzt jede Minute. Beinahe hatte er’s ja schon einmal geschafft, als der andere dies entdeckte und ihn von neuem band. Jetzt war er allein, jetzt brauchte er seine Bewegungen nicht zu verbergen. Wenn nur etwas Besseres, etwas Schärferes dagewesen wäre, mit dem es schneller ging. Sein Blick fiel auf einen kleinen Blechkanister. Vorher hatte er ihn nicht gesehen. Wo kam der her? Hatte Henke ihn verloren, als er mit seinem Rucksack aus dem Korb sprang? Die Kanten dieses Gefäßes, scharfe Lötnähte, waren jedenfalls viel geeigneter als das Korbblech.
    Er wälzte sich, bis seine Handgelenke den Kanister erreichten, begann dagegen zu scheuern und zu reiben und merkte bald, daß die scharfe Kante wie eine Säge in die Fessel schnitt. Angestrengt arbeitete er, doch wertvolle Minuten vergingen darüber. Ein Ruck jetzt, und die eine Fessel fiel ab; noch einmal ein Scheuern, Reiben, Arbeiten und auch jene erste, schon vorher geschwächte, gab nach. Er konnte die Arme und Hände wieder bewegen. Doch nun spürte er auch, wie sehr die lange Fesselung sein Blut zum Stocken gebracht und ihm die Kraft und Beweglichkeit aus den Armen genommen hatte.
    Nur mit Mühe konnte er die Hände zu den Füßen bringen und auch dort die Fessel lösen. Endlich war auch das geschehen. Er versuchte aufzustehen und sich zu bewegen, doch es dauerte geraume Zeit, bis er die volle Gewalt über seine Glieder zurückgewann.
    Jetzt endlich war’s so weit. Mit Gewalt riß er sich zusammen. Wohin war die Fahrt inzwischen

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