Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Titel: Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
Vom Netzwerk:
wäre.
    Mit Sechsundzwanzig kann man sich nicht mehr ändern. Das hatte sie in diesen letzten zwölf Monaten gelernt. Willie mußte das ebenfalls gelernt haben, hatte es aber mit eifrigem Bemühen vor ihr verborgen. Genauso, wie sie es vor ihm verborgen hatte.
    In den düsteren, lang vergangenen Jahren, fast vom ersten Aufdämmern ihrer Erinnerung an, hatten jede Nacht und jeder Tag Angst und Gefahr für das einsame Kind geborgen, das sich wie ein kleines, wildes Tierchen durch den Kriegsaufruhr auf dem Balkan und der Levante durchgeschlagen hatte. Aber später, in den Entwicklungsjahren, war eine Zeit gekommen, da hatte sich die Angst zu etwas Aufpeitschendem verwandelt; die Augenblicke der Gefahr, die einst Entsetzen waren, hatten nun nur noch ein durchdringendes Gefühl bedeutet: Ich lebe.
    Wie schade … Es gab so viele bessere Möglichkeiten, sich des Lebens bewußt zu werden. Jetzt aber war es zu spät, und sie hatte seit langem gelernt, dem Unerreichbaren nicht nachzuweinen.
    Der nächste Posten begann seinen Rückweg vom Westen her. Modesty spannte die Finger um den kleinen Gegenstand in ihrer Rechten. Es war ein Kongo, auch Yawara genannt, ein Ding aus hartem, glattem Holz, wie eine längliche Hantel geformt, deren Schaft in die Handfläche paßte und deren pilzförmige Enden aus der geballten Faust hervorragten.
    Achtsam die Füße aufsetzend, schlich sie vor. Sie machte kein Geräusch, denn der Boden war mit einem dicken, feuchten Teppich faulender Blätter bedeckt.
    Der Posten dachte an Frauen. Insbesondere an ein Mädchen in dem Dorf, das sie vor einer Woche eingenommen hatten. War das eine Nacht gewesen! Er grinste bei der Erinnerung, und sein Blut wallte hoch.
    Sie war etwa achtzehn Jahre alt gewesen und ein völliger Neuling, aber gehorsam wie eine eingeschüchterte Hündin, sobald Sergeant Alvarez ihr einmal erklärt hatte, wie es andernfalls für sie ausfallen würde.
    Und ebenso war es Alvarez gewesen, der den amüsanten Einfall gehabt hatte, demjenigen von den sechs Männern eine Flasche Whisky zu stiften, der sich die phantasievollste Stellung ausdenken konnte.
    Gewonnen hatte natürlich Ricco. Der Posten kicherte bewundernd vor sich hin. Ein wahres Wunder, daß sich der alte Bock keinen Beinmuskel verrenkt oder das Mädchen erstickt hatte …
    Da vorne lag etwas Weißes auf dem Boden, neben dem Baumstamm. Der Posten ging hin und beäugte es.
    Ein viereckiges Stück Papier – aber etwas lag darauf. Er beugte sich tiefer. Eine Münze. Eine Goldmünze …
    Modesty glitt hinter die gebeugte Gestalt. Eine Hand schoß vor und packte den Mann an den Haaren, wie ein Hammer fuhr die andere herunter. Der untere Knauf des Kongo schlug genau unter dem Ohr zu.
    Der Posten fiel schlapp zusammen. Modesty fing sein Gewehr auf und legte es neben ihn. Aus der linken kleinen Hüfttasche nahm sie ein Metallröhrchen, öffnete es und kippte zwei kleine weiße, zylinderförmig gepreßte Baumwollstückchen von der ungefähren Größe einer Zigarettenspitze auf ihre Handfläche. Vorsichtig schnupperte sie an ihnen, roch den schwachen, ekelhaft süßlichen Geruch, kniete nieder und schob dem Mann die Pfropfen in die Nasenlöcher.
    Dann lief sie schnell und lautlos über das einsehbare Gebiet des lehmgestampften Bodens auf den Lichttümpel zu, der sich von der Lampe über dem offenen Tor auf den Boden ergoß. An einer Seite des Tors lehnte ein Mann an der Wand und sah sich die zerlesene Nummer einer Soldatenzeitschrift mit vielen nackten Mädchen an. Sein Gewehr lehnte neben ihm. Modesty schlug einen kleinen Haken, um von der Seite an ihn heranzukommen, und rückte, den Rücken flach an die Wand gedrückt, näher.
    Als sie noch zwei Meter von ihm entfernt war, hob er den Kopf. Noch während sich seine Augen vor Schrecken weiteten, tat sie einen langen Schritt und drehte sich dabei so, daß ihr Bein in einem Bogen herumschwang. Der gestiefelte Fuß traf den Mann mitten in die Leistengegend. Einen Augenblick stand der bewußtlose Körper gelähmt stocksteif aufrecht, dann rutschte er langsam zu Boden. Hier waren keine Betäubungspfropfen nötig.
    Sie stieg über ihn hinweg und ging durch den Eingang. Jetzt war der Kongo in ihrer Linken und in ihrer Rechten die kleine MAB-Brevete-Automatic, die Pistole aus dem weichen Lederhalfter am Gürtel unter ihrem Pullover. Die Pistole war nicht imstande, einen Angreifer zu stoppen, wenn man nicht sehr präzise war.
    Modesty Blaise war sehr präzise. Und der Vorteil lag darin, daß

Weitere Kostenlose Bücher