Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Mädchen mit dunkelrotem Haar und einem Körper, der gut gepolstert war, ohne mollig zu sein. Sie wußte, daß sie dumm war, aber das störte sie nicht. Nicoles Einstellung zum Leben war sehr einfach. Sie tat, was sie tun mußte, um behaglich leben zu können, und in der übrigen Zeit tat sie das, was ihr Spaß machte. Sie war fröhlich und großzügig und dachte selten an das Morgen; jetzt aber dachte sie daran.
Sie war nun ganz sicher, daß sie von den Männern, die sie kennengelernt hatte, Willie Garvin bei weitem am liebsten mochte. Als er vor einer Stunde auf dem belebten Markt im alten Stadtteil von Antibes aufgetaucht war, hatte ihr Herz in seltsamer Weise einen Luftsprung getan.
Willie hatte ihr beim Einkaufen geholfen und saß dann mit den beiden großen Körben auf dem Rücksitz ihres Motorrollers, als sie in ihre kleine Wohnung hinter der avenue de Verdun zurückfuhr.
Nicole seufzte und küßte ihn sanft auf die Nase. «Es ist so schön, dich wiederzusehen, Willie. Wirklich, du bist hübscher als immer.»
«Bei Männern sagt man ‹gut aussehend›», meinte er geistesabwesend. «Du bist hübsch. Ich sehe gut aus.»
«Gut aussehend. Danke. Wie lange werdest du in Antibes hierbleiben?»
«Kann ich noch nicht sagen, Kleines. Je nachdem.»
«Oh.» Sie war enttäuscht. «Aber das letzte Jahr du bist drei Wochen auf Urlaub geblieben. Ich könnte Pacco sagen, ich muß meine Großmutter in Grenoble besuchen, so wie letztes Jahr, und dann wir könnten wegfahren –»
«Tut mir leid, Kleines. Ich bin dienstlich hier.»
«Dienstlich? Ah – mit Modesty?» Ihre Augen strahlten. Für sie lag Willie Garvins Anziehungskraft zum Teil in seinem einzigartigen Verhältnis zu Modesty Blaise, die Nicole ohne eine Spur Neid vergötterte. «Mit Modesty?» wiederholte sie. «Wie in den früheren Zeiten?»
«Nicht ganz wie in den früheren Zeiten», sagte Willie und knetete sanft ihre Schulter. «Wo finde ich Pacco?»
«Im
Gant Rouge
, in Juan-les-Pins. Er jetzt sich dort eine sehr schöne Wohnung gebaut, hinten hinaus.» Sie betrachtete ihn ängstlich. «Aber bitte, nicht gehe du zu Pacco, Willie-Liebling.»
«Warum denn nicht? Er ist zwar ein komischer Kauz, aber wir hatten nie Schwierigkeiten mit ihm.»
«Jetzt das ist anders.» Sie legte sich zurück, den Kopf auf Willies Schulter. «Seit Pacco ist geworden Boss, er ist nicht nett. Er hat Angst, daß ihn jemand macht zu Nicht-Boss, deshalb er macht böse Dinge, um die Leute zu machen angst. Er glauben wird, weil Modesty gekommen ist zurück mit dir, er wird nicht mehr Boss sein.» Sie legte eine Hand an Willies Wange und sagte ernst: «Glaube mir, Willie, er wird tun böse Dinge gegen euch. Und er hat jetzt mehr als fünfzig Leute, allein zwischen Cannes und Nizza.»
«Viel zuviel», sagte Willie mit leiser Verachtung.
«Modesty hätte nie so viele Überflüssige beschäftigt. Na ja, es ist jetzt Paccos Organisation. Alles, was ich von ihm will, sind nur einige Auskünfte.»
«Hör mir zu, Willie. Ich werde herausfinden das, was du willst wissen.» Nicole stützte sich auf einen Ellbogen und schaute mit etwas kläglichem Lächeln auf ihn nieder. «Es tut mir leid, daß ich muß das sagen, aber heute abend, bevor ich singe, muß ich sein ein Weilchen mit Pacco zusammen. Du weißt, das gehört zu meinem Job.»
«Der wird heut abend nicht mehr viel zum Abstauben haben», meinte Willie und grinste.
«Wie bitte?»
«Nichts. Was hast du eben gesagt?»
«Nun, vielleicht ist es gut, daß ich heute abend sein muß mit Pacco zusammen, weil ich ihn bringen werde dazu, das mir zu erzählen, was du gern erfahren möchtest.»
Willie runzelte die Stirn. «Pacco hat’s faustdick hinter den Ohren», sagte er.
«Eine Faust hinter den Ohren?»
«Nein. Faustdick.
Il est malin
.»
«Ach, das! Aber ich bin auch faustdick hinter den Ohren, Willie. Wenn Pacco will sich mit mir – gut unterhalten, dann erzählt er viel. Er weiß, daß ich nicht zuhöre ihm, weil es nicht mich interessiert. Also erzählt er. Er hat es gern, wenn ich sage ja und nein und ‹wie ist das›, und ‹oh, du klug bist›.»
«Du wirst aber bestimmt nichts dabei riskieren?»
«Nein, wirklich nicht. Es ist leicht.»
«Schön, aber es ist besser, du schaust ihn nicht mit so strahlend großen Augen an, wie du sie jetzt hast. Pacco könnte vielleicht wissen wollen, was du heute nachmittag getan hast.»
«Pah!» sagte sie verächtlich. «Pacco mich nicht anschaut bei meinen Augen.»
Das Telefon
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