Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
Zentimeter lange Schnur zu. «Heb das auf – aber sehr langsam. Gut. Jetzt dreh dich um, die Hände auf dem Rücken, und mach die Daumenknoten.»
Langsam drehte sie sich um. Sie wußte, daß die leiseste Andeutung einer falschen Bewegung eine Kugel durch Pauls Hals jagen würde. Sie drehte die Schnur auf ihrem Rücken so, daß in ihrer Mitte eine Doppelschlinge entstand. Modesty ließ die Daumen durch die beiden Schlingen gleiten und wartete. Didi würde keinen Fehler machen. Sie hätte ihn vielleicht erwischen können, aber nur um den Preis Pauls. Einen Augenblick lang würde Paul zwar die Chance – jedoch nur die Chance – haben, etwas zu tun, dann aber galt die Kugel ihr. «Leg dich bäuchlings auf die Couch», sagte Didi. Sie ging zu der Ateliercouch an der einen Wand, legte sich hin und drehte sich auf den Bauch. Didi stand leichtfüßig auf und kam schnell durch das Atelier herüber, die Pistole auf sie gerichtet. Jetzt war das Schnappmesser wieder in seiner anderen Hand.
Den Kopf herumgedreht, um den Vorgängen folgen zu können, sah Modesty, daß Paul sich bewegte und seine Beine herumzuschwingen begann. Die Pistole wurde ihr in den Nacken gedrückt, und Paul erstarrte.
Didi rammte das Messer in die Wand, nahm die Enden der Schnur und zog sie mit einem heftigen Ruck an.
Der Knoten straffte sich brutal um Modestys Daumen.
Didi zog die beiden losen Enden in einem Halbknoten zu und sicherte damit den Daumenknoten.
Jetzt war die Pistole wieder auf Paul gerichtet.
«Die Beine», sagte Didi knapp. Sie wußte, was er meinte. Mit dieser Fesselung kann man einen Menschen mit fünfzehn Zentimeter Schnur sicherer binden und ihn hilfloser machen als mit Handfesseln.
Sie überlegte, ob sie bewußtlos werden sollte. Das war ein Trick, den sie nach Belieben bewerkstelligen konnte, eine selbst herbeigeführte Ohnmacht. Er hatte seinen Nutzen, würde aber im Augenblick zu nichts führen. Also beugte sie die Knie, hob die Füße und legte einen Knöchel in die Kniebeuge des anderen Beins. Didi packte den erhobenen Fuß und drückte ihn fest nieder, so daß er damit den anderen Fuß zwischen Wade und Schenkel wie in einer Falle fing.
Mit der Pistolenhand ergriff er schnell ihre gebundenen Daumen, hob ihre Hände und hakte sie über den Rist des erhobenen Fußes. Als er den Druck verminderte, schnellte dieser Fuß gegen die Daumenfessel, so daß Modestys Arme und Beine schmerzhaft und hilflos verschränkt waren. Der letzte Vorgang hatte nur zwei Sekunden in Anspruch genommen, aber Hagan war auf den Knien, das Gesicht kalkweiß vor Wut.
«Sachte, Paul», sagte Modesty ruhig. Didi ging mit der Pistole in der Hand durch das Atelier und trat Paul in den Bauch, so daß er zur Seite fiel und nach Atem rang.
«Jetzt also», sagte Didi und kam zur Couch zurück.
Er zog das Messer aus der Wand, setzte sich seitlich an den Rand der Couch und sah Modesty an. «Wann kommt Garvin?»
Er wartete drei Sekunden, und als keine Antwort kam, ließ er die Messerklinge unter den Kragen ihres Hausmantels gleiten und schlitzte das Gewand bedächtig von oben bis unten auf.
«Heute spät abends», antwortete Modesty, Paul beobachtend. «Es kann aber auch morgen sein.»
Didi rieb sich das Kinn, die Augen schmal. «Du weißt, wie er zu erreichen ist.» Das war eine Feststellung. «Antibes 26-3157», sagte sie.
«
Verrons, alors
.» Didi stand auf und hob das Telefon von dem Nachttischchen. Die Schnur reichte gerade so weit, daß er den Apparat auf den Boden knapp neben Modestys Kopf stellen konnte.
«Du wirst Garvin sagen, daß er herkommen soll», sagte er und wählte die Nummer. «Und sprich äußerst vorsichtig, ma belle.» Er richtete sich auf, den Hörer in der einen Hand, und führte mit der anderen die Messerspitze geschickt ihren nackten Rücken entlang, ohne die Haut aufzuschlitzen, aber eine haarfeine rote Linie hinterlassend. «Äußerst vorsichtig», wiederholte er.
8
«Komm schon, Liebchen, sprich Englisch.» Willie Garvin rückte den Kopf behaglicher auf dem Kissen zurecht. «Es ist eine gute Übung für dich.»
«Ich weiß. Aber ich kann es nicht, wenn wir Liebe machen, Willie. Es macht mich zerstreut von dem, was ich tue, und das mag ich nicht.»
«Das hoffe ich. Aber wir machen jetzt nicht Liebe, Nicole.»
«Und ich spreche jetzt Englisch.»
«Na, dann ist ja alles in Ordnung.»
Sie lag halb auf ihm, die verschränkten Arme auf seiner Brust, und schaute auf ihn nieder. Nicole war dreiundzwanzig, ein zierliches
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