Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
für den Fall, daß sie zuschlägt, zu präparieren.»
Lange Zeit herrschte Schweigen. Tarrant spürte eine gewisse Erleichterung, als er merkte, daß Modesty und Willie ihn nicht sofort ungläubig angesehen hatten. Sie überlegten beide ernsthaft. Ab und zu sahen sie einander an, als wüßte der eine, was der andere dachte. Sie schwiegen volle drei Minuten.
«Vor allem braucht man dazu in einer entsprechenden Entfernung eine richtige Basis, Prinzessin», sagte Willie schließlich, so als setzte er ein Gespräch fort.
Sie nickte. «Das wäre der Haupthaken. Und dann natürlich die Frage, wer steckt dahinter? – Aber das ist, wie gesagt, mehr eine Frage als ein Haken.» Sie sah Tarrant an. «Rußland, China – oder beide, womöglich?»
«Es könnten eventuell auch beide sein», gab er zu.
«Sie mögen sich an ideologischen Fronten bekämpfen, könnten jedoch in praktischen Dingen sehr eng miteinander zusammenarbeiten –» Tarrant unterbrach sich und starrte vor sich hin. «Halten Sie die ganze Sache überhaupt für möglich?»
«Das liegt mehr auf Willies Gebiet als auf meinem, aber er erblickt durchaus einen Sinn darin.»
«Und meine Chefs nicht. Sie sagen, ein gewaltiges Unternehmen dieser Art könne ganz gewiß nicht geheim vorbereitet werden.»
«Was ist daran so gewaltig?» fragte Willie geringschätzig. «Mit den heutigen Waffen hat ein einzelner Mann so viel Feuerkraft wie im letzten Krieg ein Panzer. Sehen Sie sich doch das Stoner-Gewehr an und die Maschinengewehrsysteme, welche die Amis entwickelt haben – sechs Waffen in einer, mit auswechselbaren Bestandteilen. Schauen Sie sich doch das Redeye, das M-79 und das Avroc-Gewehr an. Kuwait ist bloß ein kleines Land ohne nennenswerte Armee. Ein Bataillon von richtigen Burschen mit den richtigen Waffen und Transportmitteln könnte es binnen vierundzwanzig Stunden zusammenschlagen.»
«Sie glauben, das wäre eine einfache militärische Operation?»
«Einfach? Bei Gott, nein! Dazu gehören Wochen, die angefüllt sind mit Papierkram für den Schlachtplan und einen guten Geheimdienst. Man braucht die richtigen Männer und die richtigen Waffen und ein paar wirklich tolle Burschen als Führer. Und dann müßte man imstande sein, sie alle mitsamt der Ausrüstung im richtigen Moment an einem Platz zusammenzubringen.»
Modesty wandte ein: «Das bringt uns wieder zu dem großen Haken: die Ausgangsbasis in entsprechender Entfernung.»
«Man kann heutzutage aus sehr weiter Entfernung zuschlagen, Prinzessin», meinte Willie gedankenvoll.
«Ich könnte momentan nicht sagen, wie das zu machen wäre, aber ich stelle mir vor, daß es möglich ist.» Er grinste plötzlich Tarrant an. «Nun hören Sie, Sie müßten sich doch eher eine Meinung darüber bilden können. Ich bin kein General.»
«Ich holte ein militärisches Sachverständigenurteil ein», sagte Tarrant. «Es deckt sich im großen und ganzen mit dem Ihren.» Er mußte an die vielen Bücherregale in Willies Wohnung denken. Ein ganzes Regal war voll mit abgegriffenen Büchern über Waffen, Schlachten und Feldzüge. Er fügte hinzu: «Und es überrascht mich nicht.»
Modesty fragte: «Befürchten Sie ein
Fait accompli
?»
«Ja. Unsere Zeit ist dafür wie geschaffen.» Er machte eine leise, unbestimmte Geste. «Außerdem befürchte ich auch, meine Phantasie könnte mit mir durchgehen.»
«Möglich», gab sie zu. «Gibt es noch andere Anhaltspunkte?»
«Ich bin nicht sicher.» Er zuckte leicht die Achseln.
«Wenn man einmal eine Theorie aufbaut, dann paßt einem alles hinein. Die CIA glaubt, Solon hätte ein geheimes Treffen mit einem Sowjetbeamten in Istanbul gehabt, und René Vaubois erzählte mir, daß Solon in Beirut in Verbindung mit einem Mann der chinesischen Botschaft stand. Man schrieb dem keine große Bedeutung zu. Solon bemüht sich, den Herrscher Kuwaits im Exil zu spielen, und daher meinen diese Leute vielleicht, sie könnten ihn als Unruhestifter für ihre eigenen Zwecke benutzen.»
«Wir haben noch immer keine Erklärung dafür, daß diese Mordbuben von der Bildfläche verschwunden sind», meinte Willie.
«Das ist das Hauptargument.» Modesty bedeutete Tarrant, er möge sich von dem Zigarrenkistchen bedienen, das neben ihm stand.
Wieder trat Schweigen ein. Tarrant war ganz in das Anzünden seiner Zigarre vertieft. Als er damit fertig war, lehnte er sich zurück und wartete auf weitere Fragen oder Bemerkungen. Nach einer Weile war ihm klar, daß nichts mehr gesagt werden würde.
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