Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
Wenn das irgendeinen Dank verdient, dann tu mir eines zuliebe: bleib bei den sauberen Geschäften und laß die Finger von den dreckigen.»
«Das versteht sich von selbst, Mam’selle. Ich werd es so halten, wie wir es immer gehalten haben.»
Und Krolli war seinem Versprechen treu geblieben.
Deshalb hatte ihn Lascaris, der die einträglichere dreckige Tour bevorzugte, auch verraten. Aber Krolli war sich klar darüber, daß Mam’selle und Willie nicht deshalb hier aufgetaucht waren.
All dies überlegte er, während er leise hinter den beiden den gewundenen Pfad aufwärtsschritt. Nach etwa zehn Minuten bog Willie in eine breite Schlucht zwischen hohen Felswänden. Sie verengte sich bald und wandte sich nach rechts, wo sie blind endete. Im Schatten eines überhängenden Felsens lagen zwei leichte Rucksäcke. Willie ließ das aufgerollte Seil fallen und grinste Krolli an. «Nun, wie fühlst du dich als Toter?» fragte er auf französisch.
«Danke, Willie, ausgezeichnet.» Dann, zu Modesty gewandt, fügte Krolli hinzu: «Aber wenn der Posten gefunden wird, Mam’selle …» Seine Frage klang nicht besorgt, nur höflich interessiert.
Modesty schaute zu Willie hinüber, der aus seinem Hemd eine lederne Steinschleuder hervorzog.
«Das praktiziere ich erst seit einem Jahr», sagte er.
«Jetzt hol ich dir schon jeden Vogel im Flug herunter.
Mit Bleikugeln geht’s am besten, aber die konnte ich für den Posten nicht verwenden. Ich wollte nicht, daß man die Kugel findet.»
«Also mit einem Stein?» fragte Krolli. «Ist der Kerl tot?»
Willie schüttelte indigniert den Kopf. «Ach was, nur eine Sandkugel von fünf Zentimeter Durchmesser, mit Wachs geknetet. Zwar schwer, zerfällt aber beim Aufschlag. Reicht gerade zum Einschläfern.»
«Aber wenn er zu sich kommt?»
«Willie hat ihn genau eine Sekunde nach der letzten Sprengung umgelegt, als die Brocken noch herumflogen», sagte Modesty. «Er wird höchstens auf den Ingenieur sauer sein, aber das ist auch schon alles.»
«Aha.» Jetzt hatte Krolli begriffen.
Modesty ließ sich nieder und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen. Sie bot ihm eine Zigarette an, nahm selbst eine und warf dann das Päckchen dem an der Felswand lehnenden Willie zu.
«Wir bleiben noch eine Stunde hier, bis nach Sonnenuntergang», sagte sie. «Dann müssen wir über diesen Berg. In drei Stunden sind wir drüben, wo unser Wagen steht. Ich hab einen guten falschen Paß, Kleider und Campingausrüstung für dich, Krolli. Wir sind amerikanische Touristen, und du bist ein französischer Autostopper auf dem Weg nach Athen. Wir haben dich mitgenommen. Bei Gevgelija fahren wir über die griechische Grenze.»
Krolli hörte aufmerksam zu. Sie hatte sich nicht verändert, dachte er. Sie gab ihre Instruktionen wie bei einer Lagebesprechung in den alten Zeiten.
«Ich danke Ihnen, Mam’selle», sagte er. Dann schob er das Hosenbein hoch, zog den Öllappen hervor und wickelte ihn auseinander. «Und ich dank dir, Willie.»
Er warf ihm das Messer zu, Willie fing es am Heft und steckte es in die Scheide unter seinem Hemd.
«Lascaris werd ich mit meinem eigenen Messer erledigen», sagte Krolli.
Modesty blickte zum Himmel. Die ersten Schatten der Dämmerung verdunkelten das Blau. «Überleg dir das gut», sagte Modesty langsam. «Rache ist ein zweischneidiges Schwert.»
«Nicht für einen Griechen, Mam’selle. Aber es handelt sich auch gar nicht um Rache. Wenn Lascaris erfährt, daß ich frei bin, kriegt er’s mit der Angst zu tun und wird mich umbringen, wenn ich ihm nicht zuvorkomme.»
Modesty blickte Willie an, der kaum merklich die Schultern hob. Krolli hatte recht, sie wußten es beide.
«Gut, dann mach es aber, bevor er von deiner Flucht Wind bekommt», sagte sie. «Aber wir haben dich nicht deshalb herausgeholt, Krolli.»
«Das weiß ich.» Er blickte sie fragend an.
«Ich möchte von dir einen Namen erfahren. Den Namen des Drahtziehers hinter jener Mordsache, die ihr vor etwa sieben Monaten übernehmen solltet.»
«Ach ja, danach haben sie mich schon bei der Polizei gefragt. Aber von mir haben sie nichts erfahren.» Er betrachtete sie ein wenig neugierig. «Sind Sie … wieder im Geschäft, Mam’selle?»
«Nein.»
Krolli wartete, aber sie sagte nicht mehr, hatte offenbar nicht die Absicht, seine Neugier zu befriedigen.
Krolli bedauerte das, aber er nahm es nicht übel. Seit es ‹
Das Netz
› nicht mehr gab, waren ihm die merkwürdigsten Gerüchte über Modesty
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