Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
Händen an den Schalthebeln wendete er nun und fuhr die Straße langsam wieder hinunter. Er kam an den anderen Sträflingen und den herumlungernden Posten vorüber. Die meisten Gefangenen hatten den Oberkörper entblößt.
Die Posten trugen feldgraue Hemden und Schirmmützen in dunklerem Grau. Jetzt sah der Unteroffizier auf seine Uhr. Noch eine halbe Stunde bis Arbeitsschluß.
Dann würden die Gefangenen antreten, abgezählt und in Marsch gesetzt werden, über die Behelfsbrücke und weiter in Richtung aufs Lager, das eineinhalb Kilometer weiter hinten an der Straße lag.
Krolli zog an dem Seil, das die Planierschaufel überkippen ließ, und sah zu, wie die Ladung aus Felsbrocken und Schotter in die Grube stürzte. Dann wendete er abermals, und die Raupenketten knirschten über den unebenen Grund, während er aufs neue den Abhang hinauffuhr.
In der Kurve blickte Krolli wie zufällig zurück. Kein Posten folgte ihm, auch kein Gefangener war auf fünfzig Schritt zu sehen. Er hob eine Hand und strich sich damit betont langsam über das staubige Haar.
Vor ihm schlängelte sich ein dünnes Nylonseil vom Rande des Saumpfades herab. Krolli blickte nach oben.
Er schätzte seine Fahrtrichtung und Geschwindigkeit sorgfältig ab und dirigierte das Fahrzeug nach rechts, auf die Uferböschung zu. Er sprang vom Sitz und rannte los, um die langsam weiterfahrende Planierraupe zu überholen. Das Nylonseil hing an der steilen Felswand herunter und endete etwa einen halben Meter über dem Boden in einer kleinen Schlinge. Eine zweite Schlinge war in Schulterhöhe in das Seil geknüpft.
Krolli schob seinen Fuß durch die untere Schlinge, ergriff die obere mit beiden Händen und hängte sich in das Seil. Es gab ein wenig nach und wurde dann nach oben gezogen. Während er sich mit seinem freien Bein von der Felswand abhielt, ging ihm die Frage durch den Kopf, auf welche Weise er so leicht und rasch hinaufgezogen werden konnte, da doch der Saumpfad oben kaum zwei Meter breit war und niemandem Raum bot, mit dem Seil zurückzugehen. Dann sah er über die Schulter hinunter.
Die Planierraupe hatte nun fast den neuen Felsrutsch erreicht, befand sich aber infolge der Kursänderung mit ihrer rechten Raupenkette schon ganz nahe am Abhang. Die Kette kippte über, und das Gewicht der schweren Aufhängevorrichtung verriß die Planierschaufel seitlich. Krolli markierte einen Schreckensschrei.
Mit aufheulendem Motor stürzte die Planierraupe ins Leere, und Sekunden später schäumte der Fluß fürchterlich auf. Nun befand sich Krolli noch zwei Meter unterhalb des Randes. Er wurde noch immer sachte aufwärtsgezogen und bemerkte jetzt, daß ein harter Lederstreifen über der Felskante das Seil vor dem Durchscheuern schützte. Die Seilschlinge bewahrte seine Finger davor, eingezwickt zu werden, sobald seine Hand die Kante erreichte.
Als sein Kopf über dem Felsvorsprung auftauchte, erblickte er Modesty Blaise. Sie lag auf dem Bauch, ihre rechte Seite war Krolli zugekehrt. Den linken Arm krampfte sie in eine Felsspalte auf der anderen Seite des Pfades und preßte ihren Körper gegen den Boden, um dem Zug standzuhalten, wobei sie die Schuhspitzen in die Erde bohrte. Die rechte Hand hatte sie um ihr Genick gelegt, so daß Krolli nur den Ellbogen sah, um den eine Lederschlaufe geschnallt war, an der eine kleine Rolle hing. Modestys Gesicht war vor Anstrengung verzerrt.
Das Nylonseil lief über die Rolle und dann im rechten Winkel längs des Pfades weiter. Dort, in einer Entfernung von etwa zwölf Metern, legte sich Willie Garvin ins Zeug, das Gesicht Modesty zugewandt, das Seil um Hüften und Schultern geschlungen. Als er Krollis Kopf auftauchen sah, hielt er inne. Krolli schwang sich über die Kante und rollte sich flach neben Modesty Blaise, wobei er den Lederschoner und das Seil mit sich zog.
Nun wußte er, auf welche Art er so rasch heraufbefördert worden war. Er wandte den Kopf, und sein Gesicht war nur um Zollbreite von dem Modestys entfernt. Sie atmete schwer und zog ihren linken Arm aus der Felsspalte. Dann zwinkerte sie Krolli zur Begrüßung zu. Er nickte nur und dankte ihr mit einem Blick.
Von unten hörte man Schreien und das Trampeln genagelter Stiefel. Es war wirklich nötig gewesen, Krolli so rasch außer Sicht zu bringen. Er lauschte angespannt auf das Stimmengewirr, denn er verstand die Landessprache schon recht gut. Glatt gegangen, dachte er. Schwer, aber glatt. Anderes wäre von Mam’selle und Willie Garvin ja auch nicht zu
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