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Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel

Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel

Titel: Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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nach dem Krug mit der Eislimonade griff und Colliers Glas von neuem füllte. «Wollen Sie ganz sicher nichts Stärkeres?» fragte er dabei.
    «Ganz sicher nicht. Es ist noch zu früh.»
    Bowker nickte und lehnte sich zurück. «Wie weit kennen Sie sich mit der Paranoia aus?»
    «Recht wenig. Eine Art Größenwahn, nicht wahr?»
    «So kann man es nennen. Manche Kranke bilden sich ein, Napoleon oder Hitler oder Elizabeth I. zu sein. Aber da muß ich mich schon korrigieren: sie bilden es sich nicht bloß ein, sie
wissen
mit absoluter Sicherheit, daß sie Napoleon oder irgend sonst jemand sind. Und so weiß Luzifer, daß er – nun, eben Luzifer ist. Satan. Der Fürst der Finsternis.»
    «Wie kommt er gerade darauf?»
    Bowker blinzelte gegen die Sonne und verschränkte die Finger im Nacken. «Luzifer ist Seffs Neffe und Mündel», sagte er. «Der Bursche ist jetzt fünfundzwanzig Jahre alt. Mit zwanzig wollte er Geistlicher werden. Damals hab ich ihn natürlich noch nicht gekannt, aber dem Vernehmen nach war er ein sehr ernster, von seiner Berufung durchdrungener junger Mann.» Bowker fühlte sich jetzt etwas wohler, und das hatte seinen guten Grund: im Augenblick brauchte er nicht zu lügen.
    Bis auf die Verwandtschaftsbeziehung zwischen Luzifer und Seff stimmte die Geschichte. «Und dann ist diesem sendungsbewußten jungen Mann etwas passiert», fuhr er fort. «Er wurde von einer Frau verführt. Es kam ganz aus heiterem Himmel. Die Zeit, der Ort, die Stimmung … Sie wissen ja, wie so etwas geht. Es traf eben alles zusammen. Etwa so wie bei Sadie Thompson in der Geschichte von Maugham. Die hat ja auch den Priester verführt, der ihre Seele retten wollte, wenn ich mich richtig erinnere.»
    «Aber nur im Roman», sagte Collier bedächtig. «In der Verfilmung, glaube ich, war es wesentlich anders.
    Ich war jedenfalls der Meinung, er hätte
sie
verführt.»
    «Das funktioniert doch immer nach beiden Seiten», erwiderte Bowker ein wenig ungeduldig. «Nun, uns interessiert die Tatsache, daß unser junger Freund über eine Frau gestrauchelt ist. Dann folgten die üblichen Gewissensbisse, aber sie haben ein enormes Ausmaß angenommen. Das ging bis zum völligen Zusammenbruch, und das Resultat war ein Paranoiker, der davon überzeugt war, der Urquell aller Sünde zu sein. Von dort bis zum Satan persönlich war es nur noch ein Schritt.»
    «Ich war immer der Meinung, ihr Psychiater könntet so etwas aus dem Unbewußten ins Bewußtsein heben und damit heilen.»
    Bowker öffnete die Augen. «Jetzt muß ich wohl Kraepelin zitieren: ‹Charakteristisch für die Paranoia ist die aus inneren Ursachen gespeiste unmerkliche Entwicklung eines dauerhaften und starren Wahnsystems bei völliger Intaktheit der Funktionen des Denkens, Wollens und Handelns.› Dauerhaft und starr, darauf kommt es an, Collier. Eine echte Paranoia ist unheilbar.»
    «Ich verstehe.» Collier blickte auf die blaugraue See hinaus. «Aber wie baut er die normale Welt in seinen Wahn ein?»
    «Er hat sich eine Wahnwelt geschaffen, in die sich alles einbauen läßt und in der er jeden Vorgang rationalisieren kann», sagte Bowker. «Dieses System müssen Sie kennenlernen, wenn Sie irgend etwas bei ihm erreichen wollen. Unsere Welt ist für ihn die Hölle, oder zumindest ein Teil der Hölle. Die Idee ist ja nicht neu.
    Ich glaube, es war Bernard Shaw, der die Erde als Hölle bezeichnet hat, zu der Wesen von anderen Planeten verdammt worden sind.»
    «Einer seiner Späße.»
    «Schon, aber mit ernstem Hintergrund. Ich weiß nicht, ob Luzifer jemals Shaw gelesen hat, aber derlei Lektüre kann natürlich die ‹unmerkliche Entwicklung› des Wahns fördern. Einerseits sind wir also hier auf oder in der Hölle, andererseits wissen wir aber, daß die Leute hier sterben, und kennen Dantes Geschichte vom Inferno – wie reimt sich das zusammen? Nun, Luzifer hat dieses Problem großartig gelöst.»
    «Und zwar wie?» Collier schämte sich ein wenig seines wachsenden und befremdlichen Interesses an dieser makabren Geschichte.
    «Dies hier sind die Oberen Regionen der Hölle», sagte Bowker. «Eine Art Vorhölle also. Die Menschen hier sind alle schon gestorben – irgendwo anders. Aber hier kommt es zu einer zweiten Geburt, einer kurzen Atempause vor dem endgültigen Abstieg in die Feuerschlünde der Unteren Regionen. Und Luzifer hat zu entscheiden, wer wann abzutreten hat.»
    «Und das millionenmal täglich?»
    «So war es in grauer Vorzeit, vor ein paar Äonen.
    Jetzt kümmert

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