Modesty Blaise 04: Ein Gorilla für die Lady
Akten lieferten genug Beweismaterial, um Marroc für fünfzehn Jahre hinter Gitter zu bringen. Nach vier Jahren war er dann allerdings gestorben.
Die Marroc-Affäre war der Anfang von Wachtmeister Sagastas schnellem Aufstieg gewesen.
Während er Modesty Blaise jetzt über seinen Schreibtisch hinweg beobachtete, zog er ohne Hast an seiner Zigarette und wartete auf ihre Antwort.
Sie lächelte ihn an. «Ich wollte, daß Sie mich am Flugplatz abfangen und festnehmen», sagte sie, «weil dort Leute herumstanden, die nach mir Ausschau hielten. Ich wollte, daß sie denken sollten, ich wäre für den Augenblick außer Aktion gesetzt.»
«Wer hält nach Ihnen Ausschau?»
«Gabriels Leute. Kennen Sie Gabriel?»
«Nur auf Grund seines Rufs.» Sagastas Augen wurden etwas wachsamer. «Ich habe davon läuten hören, daß Sie ihn vor einiger Zeit außer Gefecht gesetzt haben.»
«Nicht vollständig, wie es scheint. Es ist ihm gelungen, eine neue Organisation aufzubauen.»
«Und er ist hier in Panama?»
«Ja. Ich weiß nicht, welchen Namen er benutzt, und natürlich wird es Ihnen nicht möglich sein, eine Handhabe gegen ihn zu finden. Er bringt es für gewöhnlich immer fertig, sich eine weiße Weste zu bewahren.»
«Was erwarten Sie dann von mir?»
«Eine Kleinigkeit. Lassen Sie mich bis nach Einbruch der Dunkelheit hierbleiben. Mieten Sie einen Wagen für mich und lassen Sie ihn an der Plaza Bolívar parken. Bringen Sie mich versteckt auf dem Rücksitz eines Polizeiwagens hinaus, sobald es dunkel geworden ist, und setzen Sie mich an der Plaza ab. Und halten Sie die Leute hin, die sich möglicherweise danach erkundigen, ob ich noch immer von Ihnen festgehalten werde.
Das ist alles. Oh – und zuerst lassen Sie mich jetzt bitte Willie Garvin anrufen.»
«Garvin. Noch einer, den ich nur auf Grund seines Rufs kenne. Es hat mich interessiert, seinen Namen auf der Liste der Einreisenden zu entdecken.» Er verstummte und bewegte dann eine schlanke, kräftige Hand. «Während der letzten Tage ist eine sonderbare Unruhe durch unsere hiesige Unterwelt gegangen. Das macht mir zu schaffen.»
«Sie brauchen nicht zu befürchten, daß sich da irgendwelche unguten Dinge zusammenbrauen. Es bedeutet einfach, daß Gabriel jeden Strolch und jeden kleinen Ganoven in Panama angeworben hat, um nach Willie Garvin und einem Mädchen Ausschau zu halten, das er bei sich hat. Ich bin gekommen, um die beiden herauszuholen. Wenn wir fort sind, wird auch Gabriel verschwinden.»
Sagasta rauchte eine Weile schweigend weiter. Endlich schaute er auf seine Uhr, zeigte leise Überraschung und sagte dann: «Offiziell bin ich jetzt außer Dienst.»
Sein Benehmen veränderte sich. Er lehnte sich zurück, öffnete die oberen Knöpfe seiner Uniformjacke und grinste sie liebenswürdig an. «Also schön, Miss Blaise.
Und wenn ich nun tue, worum Sie mich bitten – was bekomme ich für meine Hilfe?»
«Was Sie bekommen?» Sie war verwirrt. «Ich dachte –»
«Darin liegt eben der Unterschied: ob man bestochen oder belohnt wird für geleistete Dienste – übrigens Dienste, die in keinerlei Widerspruch zu meiner Pflicht stehen.» Er fuhr fort, sie mit einem gewissen Amüsement und einer Herausforderung in den Augen unverwandt anzuschauen, und ihr fiel ein, was man ihm nachsagte. Im Umgang mit Frauen galt Hauptmann Sagasta als Athlet. Es war ein rein privates Hobby, das seine Arbeit in keiner Weise beeinflußte. Soweit sie sich erinnerte, rauchte er wenig und trank überhaupt nicht. Er hatte keine Familie. In seiner Arbeit verfolgte er eine klare Linie und kannte nur eine Art der Entspannung. Doch auch da gab es für ihn nur die klare Linie.
«Sie haben seit unserem letzten Zusammentreffen ein wenig von Ihrer Härte verloren», sagte er nachdenklich. «In der Tat – Sie sind schöner geworden, und vielleicht besteht jetzt auch eine größere Fähigkeit zu persönlicher Wärme.» Er zuckte die Achseln. «Ein Abend mit einem Dinner bei
The Antigua
, dann die Show im
El Sombrero
, ein Bummel am Malecon entlang, und so weiter …»
Mit einem raschen, schelmischen Grinsen bemerkte sie: «Ehrlicher Polizist und gleichzeitig ehrlicher Wüstling.»
«Wüstling? Das Wort kenne ich nicht.»
Sie erklärte es ihm, und er nickte in ernsthafter Zustimmung. «Das beschreibt mich bewundernswert genau.»
Sie drückte die Zigarette aus und sagte ohne eine Spur von Widerwillen: «Also gut – abgemacht.»
Neugierig und halb lächelnd schaute er sie an. Nach einer
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