Modesty Blaise 04: Ein Gorilla für die Lady
Collier in einen Sonnenuntergang aus Rot und Purpur ins Freie. Er fühlte sich verschwitzt. Die Hitze des Tages war noch immer vorhanden und stieg jetzt aus dem ausgedörrten Boden auf.
«
Que hotel quiere usted, señor?
» fragte der Gepäckträger, der seine Reisetaschen trug.
«Hotel
Santa Rosa
, Calle Torella.»
«
Bueno
.»
Ein Taxi fuhr vor, und Collier sah zu, wie die Taschen verstaut wurden. Irgendwo hinter ihm war Modesty Blaise, er wußte aber nicht wo. Sie waren getrennt zum Londoner Flugplatz gefahren. In der um 7 Uhr 30 startenden Boeing 707 war er in der Touristenklasse und sie erster Klasse gereist.
Er war weder aufgeregt noch verspürte er Unruhe; eher schon fand er das Ganze leicht unwirklich. Zwanzig Schritt von ihm entfernt parkte ein Polizeiauto mit zwei Uniformierten. Alles war sicher, zivilisiert und normal. Es war schwer zu begreifen, daß irgendwo in der Nähe Männer stehen sollten, die seit vier Tagen auf Willie Garvin und das blinde Mädchen lauerten. Er gab dem Gepäckträger einen Dollar und stieg in das Taxi mit der Überlegung, wie lange es wohl dauern würde, bis er den Flugplatz wiedersah. Einen Tag? Eine Woche?
«Es dürfte nicht lange dauern», hatte Modesty gesagt.
«Aber fang gar nicht erst an, die Stunden zu zählen. Du bist hier, um mit den für die Bildung zuständigen Behörden über den Verkauf einer Übersetzung deines Buches zu verhandeln. Aber dann wirst du gleich nach der Ankunft durch Magenbeschwerden mehr oder weniger an dein Hotelzimmer gefesselt sein. Das kann ein paar Stunden, eventuell auch länger dauern.»
Während das Taxi abfuhr, übte Collier sich darin, ein tapferes Gesicht aufzusetzen und auf seinen Magen zu weisen.
Fünf Minuten waren vergangen, als Modesty Blaise, gefolgt von einem Dienstmann mit Gepäckkarren, aus dem Flughafengebäude trat. Sie trug ein leichtes Kleid aus marineblauem Crimplene mit weißen Blenden und hatte eine große Handtasche bei sich. Als sie an den Rand des Bürgersteigs trat, öffnete sich die Tür des Polizeiwagens. Ein hochgewachsener, schlanker Mann stieg aus. Er trug eine leichte olivgrüne Uniform mit einer Sam Browne und Laschenhalfter. In seinem hageren Gesicht standen große, kühlblickende Augen. Der Schnurrbart glich zwei dünnen Bleistiftstrichen. Er stand vor Modesty und salutierte träge. «Miss Blaise?»
«Ja.»
«Ich möchte Sie bitten, mich zu begleiten.» Sein Englisch war gut. «Ich bin Hauptmann Sagasta von der Stadtpolizei Panama City.»
Mit leiser Feindseligkeit starrte sie ihn an. «Ich verstehe nicht.»
«Sie sind schon einmal in Panama gewesen, denke ich?»
«Ja. Vor vier oder fünf Jahren.»
«Das steht auch in unseren Akten, Miss Blaise. Es gibt da gewisse Unregelmäßigkeiten, die sich während jenes Aufenthalts ereigneten, und wir möchten diese untersuchen, da Sie uns jetzt zur Verfügung stehen.»
«So ist das.» Ein paar Sekunden stand sie unbeweglich. «Hat das nicht Zeit, bis ich mein Hotelzimmer bezogen habe? Ich wohne im
Hilton
–»
«Leider nicht, Miss Blaise. Und was das Zimmer betrifft …» Ein Achselzucken. «Das Verhör kann einige Zeit in Anspruch nehmen.»
Nach einem weiteren Zögern sagte sie: «Ich möchte telefonieren.»
«Später vielleicht. Bitte, steigen Sie ein.»
Stirnrunzelnd ging McWhirter in Gabriels Schlafzimmer, um Bericht zu erstatten. Gabriel hatte sein Jackett ausgezogen und lag mit hinter dem Kopf verschränkten Händen und geschlossenen Augen auf dem Bett.
«Sie ist angekommen», sagte McWhirter. «Aber die Polizei hat sie am Flughafen abgepaßt und mitgenommen, um bei irgendwelchen Untersuchungen zu helfen. Unerledigte Geschichten, die ein paar Jahre zurückliegen.» Er zuckte die Achseln. «Sie behalten sie vielleicht ein paar Stunden oder der Himmel weiß wie lange da. Ich habe einen Mann beauftragt, das Polizeibüro zu beobachten.»
Gabriel stützte sich auf einen Ellbogen. «Wir brauchen sie als Wegweiser», sagte er böse. «Sorgen Sie mit ein bißchen Schmiergeld dafür, daß sie freikommt.»
«Es ist Sagasta», erwiderte McWhirter mit Abscheu in der Stimme. «Den kann man nicht kaufen. Wir können zwar höher gehen, aber Sagasta ist eigensinnig, und es würde einige Zeit dauern.»
Der Nebenstellen-Anschluß neben dem Bett klingelte. Gabriel nickte, und McWhirter nahm den Hörer ab. Es war eine amerikanische Stimme.
«In Ordnung, weiter, Reilly», sagte McWhirter.
Nach ein paar Sekunden: «Warte mal.» Dann legte er seine Hand über die
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