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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Stolz wurde von Schmerz ertränkt, und sie schloß die Augen. «Doch dann fand er ein anderes Mädchen, das ihn glücklich machte. Er sagte es mir vor vier Tagen, und er sagte mir alle Dinge, die er ihr angetan hatte. Er war sehr zufrieden mit ihr.» Tränen standen in ihren Augen. «Das konnte ich nicht ertragen.»
    Der Flug wurde zum letztenmal ausgerufen. Soo Leybourn faßte sich, versuchte ein Lächeln und sagte:
    «Sie waren sehr gut zu mir.» Sie wandte sich ab und folgte den anderen Passagieren durch die Tür. Sie ging mit der ihr eigenen ruhigen Grazie und hielt das kleine Necessaire mit den Dollar-Noten eng an sich gepreßt.
    Modesty setzte sich auf eine Bank und starrte durch das dunkle, regennasse Fenster ins Leere. Sie stellte fest, daß sie eine Zigarette herausgenommen und angezündet hatte, erinnerte sich aber nicht, die Handgriffe getan zu haben.
    Fünf Minuten saß sie völlig still und rauchte. Sie war jetzt allein in der Wartehalle, blickte auf ihr verschwommenes Spiegelbild in der großen Fensterscheibe und versuchte ihre Gefühle zu analysieren. Ein wenig enttäuscht. Vielleicht auch ärgerlich. Sie wußte, daß sie sozusagen mit offenem Mund dasaß – bildlich gesprochen. Aber vor allem fühlte sie eine wachsende Empörung in sich aufsteigen, die – das wußte sie – völlig lächerlich war.
    Sie dachte an Willie Garvin und stellte sich seinen Gesichtsausdruck vor, wenn sie es ihm berichtete, versuchte sich auszumalen, was er sagen würde.
    Und in diesem Augenblick erstickte sie fast an ihrer Zigarette, weil alle anderen Emotionen von einer Welle hilflosen Gelächters hinweggespült wurden.

Ein Rendezvous mit Lady Janet
    An diesem Abend waren wir in
The Treadmill
recht beschäftigt. Zumindest schien es mir so, obwohl Doris behauptete, es sei wie üblich, und sie muß es am besten wissen, denn ich selbst bin die Hälfte der Zeit nicht in meinem Lokal.
    Charlie hatte seinen freien Abend, also half ich Doris hinter der Theke. Etwa um zehn Uhr sah ich Lady Janet hereinkommen. Sie trug einen blaßgrünen Hosenanzug, der gut zu ihrem kastanienbraunen Haar paßte.
    Wegen ihres Beins trug sie fast immer Hosen. Sie setzte sich auf ihren gewohnten Hocker am Ende der Bar, und ich stellte zwei Gläser vor sie hin und eine Flasche Bordeaux.
    An diesem Abend hatte ich ein Rendezvous mit Lady Janet. Ihr voller Name ist Lady Janet Gillam; man nennt sie nicht einfach Lady Gillam, weil sie die Tochter eines Earl ist und den Titel daher nicht erheiratet, sondern geerbt hat. Man sagt also Lady Janet Gillam – der Vorname gehört dazu.
    Sie ist Schottin und meine «ständige Begleiterin», wenn ich daheim in
The Treadmill
bin. In Anbetracht der Tatsache, daß ich ein rauher Cockney-Bursche bin, klingt das vielleicht erstaunlich. Trotzdem verstehen wir uns glänzend. Sie ist dreißig und irgendwo zwischen gutaussehend und schön, mit einer prima Figur und keinem Gramm überflüssigen Fett. Dafür arbeitet sie zu schwer.
    Nach allen Erzählungen, vor allem ihren eigenen, muß sie als Debütantin das Tagesgespräch von London gewesen sein. Sie fuhr schnelle Autos, flog Vaters Privatflugzeug, gab verrückte Parties und so weiter. Dann heiratete sie einen Mann namens Gillam, der beschloß, ein reicher Farmer zu werden. Er begann reich und wurde binnen zwei Jahren zu einem armen Farmer.
    Dann griff er zur Flasche und fuhr eines Tages, nicht weit von
The Treadmill
entfernt, sein Auto zuschanden.
    Janet war bei ihm. Gillam überlebte den Unfall nicht, sie verlor ein halbes Bein. Deshalb trägt sie immer Hosen.
    Aber jetzt kommt das Eigenartige. Als sie mit einem Metallbein vom Knie abwärts aus dem Spital kam, ging sie nicht nach Hause, um den reichen Earl um Geld zu bitten. Nein, sie, einst ein prominentes Mitglied des Jet-set, verbiß sich in die Idee, die Farm zu führen, und sie machte sie auch zu einer Goldgrube. Ich mag es, wenn Mädchen Verstand haben.
    Bis vor zwei, drei Jahren dachte sie nicht einmal an Männer, glaube ich. Dann tauchte ich auf, und auch wir sagten einander ein Jahr lang bloß höflich «Guten Abend», bevor sich etwas anspann. Sie erzählte mir später, daß sie die Männer abgeschrieben hatte. Mit einem halben Bein sei sie nicht die Frau, mit der Männer gern ins Bett gehen, fand sie, außer sie waren pervers oder auf ihr Geld aus. Heute weiß sie, daß ich von beidem meilenweit entfernt bin, doch es brauchte eine Weile, bevor sie wirklich überzeugt war, daß mir neunzig Prozent von ihr

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