Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten
Schlacht in einem Lagerhaus – wir gegen Rodelle und ein halbes Dutzend seiner Leute. Ich selbst legte Rodelle um. Das heißt, ich placierte aus dreißig Schritt Entfernung ein Messer zwischen seine Rippen, als er von einem Laufsteg aus herunterschoß. Er fiel 17 Meter tief auf einen Betonboden.
Damit schien der Fall erledigt.
Dann fuhren wir zurück nach Tanger. Rodelles Organisation brach zusammen, und damit war scheinbar alles vorüber. Und jetzt tauchte dieser Fitch auf, genau der Typus, der schon immer zu Rodelles Mitarbeitern gehört hatte, und erklärte, Rodelle sei am Leben. Natürlich wußte Fitch über den Sturz Bescheid. Er sah mich an und wartete. Seine Augen waren hellgrau und seicht, ohne irgendeine Tiefe. Ich sagte: «Es war ein langer Sturz. Wenn er nur halbtot ist, hatte er Glück.»
«Seitdem ist er von der Taille abwärts gelähmt», sagte Fitch. «Deshalb möchte er dich sehen, Garvin.» Er lächelte sein verkniffenes Lächeln. «Ich glaube nicht, daß er an etwas anderes gedacht hat, seit damals.»
«Er hätte auch an ein paar tausend Pfund Fleisch denken können, die er gut verkaufte», sagte ich. «Wo ist er?»
Fitch schüttelte den Kopf. «Später, Garvin. Wenn ich dir das jetzt sage, würde es meinen Auftrag erschweren.»
Ich blickte auf die Pistole. «Und Sie glauben, ich gehe widerstandslos mit, nur weil Sie das hier haben?»
«Nein.» Er lächelte noch genüßlicher. «Sondern weil Rodelle Modesty Blaise geschnappt hat.»
Das traf mich wie ein Schlag in den Magen. Ich grinste trotzdem. «Einfach so?»
«Es ist immer einfach, wenn es unerwartet kommt. Wir hätten dich auf die gleiche Weise schnappen können. Doch Rodelle wünscht, daß du freiwillig kommst, mit offenen Augen.»
Das stimmte. Nach dem, was ich über Rodelle wußte, würde er niemals mit einem Messer zustechen, ohne es auch noch zu drehen. Fitch langte nach dem Telefon und zog es zu sich. Er wählte eine Nummer, und in diesem Augenblick haßte ich das automatische Telefonsystem. Er wählte mehr als sieben Ziffern, das hieß, daß es kein Anruf innerhalb Londons war, aber da er keine Vermittlung verlangen mußte, erfuhr ich nichts weiter.
Er sah auf die Uhr und sagte: «Sie erwarten meinen Anruf.» Nach ein paar Sekunden sagte er in den Hörer:
«Ich bin mit ihm zusammen. Übergebt an sie.» Er legte den Hörer auf den Tisch und schob ihn mir zu. Ich nahm das Telefon. «Willie?» sagte sie. Das war Modesty. Mich konnte niemand mit einer Imitation ihrer Stimme täuschen.
Ich fragte: «Wo?» Das mußte ich wissen. Sie antwortete schnell: «Weiß nicht. Aber geh nicht mit, Willie –»
Dann wurde ihre Stimme erstickt. Nach ein paar Sekunden hörte ich die Stimme eines Mannes, eine Stimme mit Akzent. Ich kannte sie nicht gut genug, um sie zu identifizieren, doch ich zweifelte keinen Moment, daß es Rodelle war. Niemals hatte ich eine so haßerfüllte Stimme gehört. Er sagte ganz langsam: «Das war kein guter Rat. Fitch wird dir sagen, was geschieht, wenn du nicht kommst, Garvin.» Dann brach er die Verbindung ab.
Als ich den Telefonhörer auflegte, sagte Fitch:
«Rodelle hat sie in seiner Gewalt. Er erwartet uns zu einer bestimmten Stunde. Wenn wir bis dahin nicht angekommen sind, wird er seine Experten auf Modesty ansetzen.» Er wartete, wie ich diese Worte aufnehmen würde, dann stand er auf und schob die Pistole in den Schulterhalfter. «Nehme an, das macht dich gefügiger als jedes Schießeisen.»
Sie hatten sich das gut ausgerechnet. Jeder, der mich und die Prinzessin kennt, konnte eine Million zu eins wetten, daß ich hingehen würde – sogar ohne Begleitung.
«Ich hole nur meine Jacke», sagte ich und stand auf.
Ich fühlte mich hundeelend und sah vermutlich auch danach aus. Ich wollte es zeigen, um Fitch in Sicherheit zu wiegen. Meine Jacke hing über einer anderen Stuhllehne. Ich nahm sie, warf sie Fitch ins Gesicht und mich selbst hinterher. Ich bohrte ihm meine steifen Finger ins Sonnengeflecht, und als die Jacke von seinem Kopf rutschte, verabfolgte ich ihm einen Schwinger unter das Ohr. Er ging in die Knie, und ich fing ihn auf, legte ihn über die Schulter und ging durch die Hintertür hinaus.
Draußen war es dunkel und ruhig. Zwischen dem Gasthaus und dem Fluß liegt ein Stück ebener Grund, über den ein gepflasterter Weg zur Sporthalle führt.
Dieses langgestreckte Ziegelgebäude ohne Fenster oder, besser gesagt, mit blinden Fenstern und einer speziellen Doppeltür ist allerdings mehr als
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