Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten
Nashville, Tennessee – und ich fand das bei unseren Abenteuern oft nützlich, aber im Alltag bleibe ich bei Cockney, weil das mein natürlicher Akzent ist.
Ich sagte zu Fitch: «Wenn es sich um etwas Privates handelt, dann gehen wir lieber in mein Wohnzimmer.»
Ich bat Doris, bis zur Sperrstunde zu übernehmen, dann führte ich Fitch durch die Bartür und einen Hinterausgang hinaus. Als ich
The Treadmill
übernahm, ließ ich die Wohnräume sehr ordentlich herrichten. Im Erdgeschoß habe ich eine Küche, ein Büro und ein großes Wohnzimmer, im ersten Stock sind zwei Schlafzimmer mit Bade- und Ankleidezimmern. Ich brauche ein Gästezimmer, wenn die Prinzessin ab und zu bei mir wohnt.
Ich hatte mir gar nicht die Mühe genommen, Fitch zu fragen, worum es ging, denn ich war verdammt sicher, daß er weder Versicherungspolicen anbot noch ein neues Patent für Flaschenöffner. Und ich hatte recht. Als ich die Tür des Wohnzimmers schloß und mich umdrehte, hatte Fitch eine Pistole in der Hand, eine .44 Magnum.
Ich blieb stehen und sagte: «Man kann sich verletzen, wenn man diese Dinger mit sich herumträgt.»
Leichthin erwiderte er: «Setzen wir uns. Das Schießeisen ist nur für den Fall, daß du den Kopf verlierst, bevor ich dir auseinandergesetzt habe, worum es geht.»
Ich wählte einen Stuhl mit gerader Lehne, weil er für ein rasches Aufstehen geeigneter ist als ein Armsessel. Fitch tat das gleiche. Er war selbstsicher, aber nicht übertrieben. Und er fühlte sich nicht nur sicher, weil er eine Waffe in der Hand hatte. Fitch war ein Professional, und die Pistole gehörte zu seinen Werkzeugen. Ich hatte ihn bereits als gefährlich klassifiziert, und jetzt ordnete ich ihn noch ein, zwei Stufen höher ein.
Es gibt gefährliche weiche und gefährliche harte Männer. Fitch gehörte zu der harten Sorte. Er wäre auch ohne Schießeisen nicht hilflos gewesen, und wenn man ihm den Arm bräche, würde er mit den Zähnen weiterkämpfen. Diese Typen kannte ich. Sie sind selten, Fitch jedoch war einer von ihnen.
Mit seiner leisen Stimme und der Andeutung eines Lispelns sagte er: «Ich arbeite für Rodelle. Er schickt mich, dich zu holen.»
Das war komisch. Ich lachte und sagte: «Rodelle schickt Sie? Dann müssen Sie der erste sein, der einen Rückweg aus der Hölle fand.»
«Rodelle ist nicht tot», sagte Fitch. «Nur halbtot, von der Taille abwärts. Es war ein schwerer Sturz, wie ich höre.»
Das gab mir zu denken. Es schien nicht wahrscheinlich, daß Fitch log. Also sprach er die Wahrheit? Wenn Rodelle wirklich noch am Leben war, so freute mich diese Nachricht keineswegs. Ich kenne einige ekelhafte Kreaturen, aber kaum eine kommt an Rodelle heran.
Er ist ein Levantiner und er beschäftigte sich mit Sklavenhandel; verkaufte Mädchen nach Südamerika, Saudi-Arabien und wo immer sonst er einen guten Preis erzielte.
Man darf nicht glauben, daß dieses Geschäft mit dem Stummfilm zu Ende ging. Es geht noch fröhlich weiter und ist einfacher, als man denkt. Die Experten, die sich darauf spezialisieren, diese Mädchen zu trainieren, bevor sie in Bordelle kommen, hätten einen Caligula erblassen gemacht. Etwa drei Jahre, bevor die Prinzessin «Das Netz» auflöste, bekamen wir es mit Rodelle zu tun. Er hatte eine ziemlich umfangreiche Organisation, und er stahl ein Mädchen, das für uns Diamanten schmuggelte. Das war das Signal für die Prinzessin. Sie hatte Rodelle schon lange nicht riechen können. Wir bekamen das Mädchen zurück, und die Prinzessin fand, daß es an der Zeit sei, Rodelle zu erledigen. Man kann das Mord nennen, wenn man will. Ich würde es als gute Tat bezeichnen.
Ich weiß, daß man Modesty gelegentlich als erbarmungslose Killerin bezeichnet. Das ist Quatsch. Sie organisierte nicht nur die tüchtigste Verbrecherbande, die es je gab, sondern auch die sauberste. Manchmal schien es, als verbrächten wir mehr Zeit damit, schmutzigen Gangs das Handwerk zu legen, als Beute zu machen. Ich erinnere mich gut, daß wir einmal auf einen Fünfzigtausend-Dollar-Job verzichteten, weil wir keine Möglichkeit sahen, ihn auszuführen, ohne ein paar Unschuldige ins Gras beißen zu lassen. Natürlich hat Modesty einige Kerle umgelegt, aber sie gehörten immer zu den Typen, deren Abgang die Welt etwas erfreulicher macht. Wie Rodelle.
Wir fuhren nach Istanbul, um ihn zu erledigen – nur die Prinzessin und ich. Solche Sachen machten wir immer selbst. Und dieser Fall war keine Kleinigkeit, er endete als regelrechte
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