Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
fahren und unsere Gefangenen beobachten, die in den folgenden Sesseln sitzen. Sie werden mit Handschellen aneinander und an die Sesselrahmen gekettet sein. Jungpfadfinderin de Courtney-Scott und ich werden Abschluß machen. Gut? Gut. Wo ist denn mein kleiner Revolver? Ach, hier. Ich werde ihn auf Modestys hübschen Bauch richten, während du dich mit den Handschellen beschäftigst, Clarissa.»
Condori und Fuzuli stiegen ein. Der Lift wurde abgestellt, als Modesty und Willie an ihre Sessel festgeschnallt wurden, und dann wieder in Gang gesetzt. Als Beauregard Browne mit Clarissa wartete, flüsterte sie ihm zu: «Mein Gott, Beau, ich wäre einfach selig, diesen Willie Garvin ein paar Stunden für mich zu haben, bevor er verschwindet. Es ist eine solche Verschwendung.»
Er kicherte und hielt ihren Arm, während sie einstiegen. «Mein Schatz, du strahlst deinen Wunsch förmlich aus. Ich möchte wirklich nicht gemein sein, aber schließlich könnte er, wenn er mit dir zusammen ist, drohen, deinen hübschen Hals zu brechen, falls wir ihn nicht fliehen lassen.»
«Das glaube ich nicht, Beau. Ich meine, er weiß sehr gut, daß du darauf nicht eingehen würdest.»
«Richtig. Und er wird ahnen, daß ich ihn kreuzige, wenn er sich mit deinem Hals anstatt mit geeigneteren Körperteilen beschäftigt. Trotzdem …»
«Er wird versuchen, mich auf seine Seite zu bekommen. Ich glaube, es wäre ein Spaß, Beau. Ich würde mich völlig hingerissen zeigen und ihm fortwährend versprechen, daß ich die Wache betäuben werde oder was immer, damit wir gemeinsam in die Freiheit fliehen und uns bis ans Ende unserer Tage lieben können. Es könnte mir sogar gelingen zu erfahren, ob er irgendeinen Fluchtversuch plant.»
Beauregard Browne kniff sie in den Schenkel. «Clarissa, mein Engel, das ist einfach köstlich. Heute nacht bekommst du frisches Fleisch, mein kleines Häschen.»
In dem Augenblick, in dem die Doppelsessel mit Modesty und Willie die Kabine der Talstation verließen, blickten sie in entgegengesetzte Richtungen und verständigten sich mit kaum geöffneten Lippen. Sie sprachen sehr rasch, bemüht, jedes überflüssige Wort zu vermeiden, während sie ihre Situation überlegten.
«Position?» fragte Willie.
«Fünfunddreißig bis vierzig, südlich, einundsechzig östlich. Luft?»
«Nicht ohne den Gulfstream-Jet-Piloten.»
«Wasserflugzeug zu kurze Reichweite?»
«Ja, und Boote sind ausgeschlossen. Radar würde uns finden, man würde uns vom Wasserflugzeug aus beschießen.»
«Nachrichten?»
«Möglich. Ich kann heute abend hinaus.»
Ihr wurde leichter ums Herz. Oh, einmaliger Willie Garvin.
«Aber?»
«Lärmend. Bum und laufen. Kann dich nicht erreichen.»
«Willst du Hilfe, um Lichter zu löschen?»
«Ja. Nach sieben Sekunden.»
«Gut. Warte.»
Sie starrte, ohne etwas zu sehen, auf das Kabel und auf Condori mit Fuzuli, die sich umgedreht hatten, um sie zu beobachten. Dutzende Gedanken schossen ihr durch den Sinn.
Willie konnte ausbrechen, aber wohin? Weder ein Boot noch das Wasserflugzeug boten eine Fluchtmöglichkeit. Letzteres hatte eine begrenzte Reichweite, und irgendwo auf offenem Meer würde der Treibstoff ausgehen. Jedes Boot würde mittels Radar lokalisiert und beschossen werden. Sam Solons zweistrahliger Gulfstream-Jet war die einzige Möglichkeit, von
Dragon’s Claw
zu fliehen, und weder sie noch Willie hatten jemals ein solches Flugzeug gesteuert. Vermutlich würde Solon morgen damit ankommen, aber bestimmt würde die Maschine streng bewacht werden. Jeder neuralgische Punkt der Insel würde unter strenger Bewachung stehen.
Sie fragte weder sich noch Willie, wie er ausbrechen konnte.
Daß er es gesagt hatte, war genug. Aber ohne Möglichkeit, von der Insel wegzukommen, würde man ihn früher oder später wieder fangen. Wie ein Schwungrad drehten sich ihre Gedanken rascher und rascher, folgten beim Durchdenken verschiedenster Möglichkeiten keiner logischen Reihenfolge mehr, sondern vollführten große intuitive Sprünge, um komplizierte Konzepte zu erfassen. Es gab bekannte und unbekannte Faktoren.
Fakten, Zahlen und Persönlichkeiten mußten berücksichtigt werden. Es gab Maschinen und Terrain und physische Gegebenheiten. Es gab ursprüngliche und augenblickliche Absichten, die man neu überdenken mußte.
Sie waren kaum drei Minuten bergauf gefahren, als Modesty sehr rasch und sehr präzis zu sprechen anfing.
Noch immer bewegten sich ihre Lippen kaum, als sie das sich erweiternde Panorama der
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