Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
bereits in ihrer Gewalt, als ich Ihnen sagte, daß wir ihn bewachen. Die Kerle setzten uns unter Druck, für sie die Jadekönigin aus
Burlington House
zu holen.
Wenn wir es nicht täten, so erklärten sie, würde man Luke die Hände abhacken. Dick brachten sie um, um uns zu beweisen, daß sie es ernst meinten. Wir konnten Ihnen das alles nicht sagen, Sam.»
Er starrte vor sich hin, stieß einen langen Pfiff aus und sagte: «Oh verflucht, Mädchen! Verflucht noch mal!»
Sie warteten, schwiegen und ließen ihn das eben Gesagte verdauen. Endlich fuhr er sich mit einer Hand durch die kleingekräuselten grauen Locken. «Also haben Sie getan, was man von Ihnen wollte? Und sie töteten ihn trotzdem?»
«Ja.»
Wieder Schweigen. Er blickte über die Sammlung von Gegenständen auf dem Tisch und sagte: «Und jetzt macht ihr also Jagd auf sie, wer immer sie sein mögen?»
«Ja, Sam.»
«Habt ihr eine Ahnung, wie ihr sie finden könntet?»
«Wir haben nur einen einzigen Hinweis. Den maltesischen Anwalt, von dem Frezzi sprach. Dort beginnen wir. Wir fahren nächste Woche nach Malta, um den Namen dieses Mannes zu erfahren.»
«Wie? Sie haben doch behauptet, daß Frezzi nicht plaudert.»
«Der Anwalt muß mit Frezzi in Verbindung stehen, und wir haben ganz gute Kontakte in Malta.»
«Wir haben ihn binnen einer Woche, Sam», sagte Willie.
Der Australier nickte. «Und dann?»
«Wir schnappen ihn und nehmen ihn in die Zange. Und zwar nach einem Schema, das wir bereits einmal benutzt haben. Er wird glauben, daß ihn eine Mafia-Familie entführt hat, die ein Rivale seines Chefs ist. Er wird singen wie ein Vöglein, ohne daß wir ihm ein Haar krümmen. Wir müssen herausfinden, wer ihn angeworben hat, damit er Frezzi anwerbe, und er wird das zusammen mit einer Menge anderer Sachen ausplaudern, an denen wir nicht interessiert sind. Er wird gar nicht realisieren, was er uns verraten hat.»
«Sie sind Ihrer Sache sehr sicher, Liebling.»
«Wir haben es schon einmal so gemacht, Sam. Carl Zappi leitete die römische Abteilung des
Netzes
für mich, und er wird die Akteure bereitstellen.»
Sam Solon nahm vorsichtig eines der schön ausgeführten Wurfmesser und wog es nachdenklich in der Hand. Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. «Klingt gut», sagte er. «Es tut mir beinahe leid, das Konzept zu verderben.»
Sie blickte ihn fragend an. «Zu verderben?»
«Ich sagte ja, daß ich nicht untätig war. Dieser Anwalt heißt Mocca. Büro in Old Bakery Street, Valletta. Wohnt in Marsaxlokk.»
Modesty sah Willie an, zuckte die Achseln und lachte. «Verdammt noch mal.»
«Dort haben Sie sich also herumgetrieben, Sie schlauer alter Aussie», bemerkte Willie.
Sam Solon lachte jetzt über das ganze Gesicht und genoß seinen großen Auftritt. «Ihr seid nicht die einzigen, die denken können.»
«Wie haben Sie ihn gefunden?»
«Ich bin nur ein einfacher Mann aus den Kolonien. Ich fand einen Mann namens Montale.» Solon sah Modesty an. «Das ist der Mann, den Frezzi nach Sizilien zurückschickte, weil er versucht hatte, Sie dort oben bei den Klippen zu erstechen. Ich hab ihm zwanzigtausend Pfund bezahlt und die Überfahrt wohin immer er wollte. Keine Sorge, er hat Mocca nicht informiert.»
Modesty sagte: «Woher wissen Sie das, Sam? Haben Sie mit Mocca irgendwas angestellt?»
Solon schüttelte den Kopf. «Noch nicht. Ich war nicht ganz sicher, wie es weitergehen soll, und dachte, das läge mehr auf Ihrer Linie. Jedenfalls weiß ich, daß Mocca nicht gewarnt wurde, denn er ist nicht in Malta. Er flog vor zehn Tagen nach Melbourne, und man erwartet ihn erst in drei Wochen zurück.»
«Melbourne.» Modesty nickte langsam. «Ja, das ergibt einen Sinn. Alles hängt mit dem zusammen, was mit Luke geschah, bevor ich ihn mit der
Wasp
auffischte, also liegt die Zentrale irgendwo in Ihrer Gegend, Sam.»
«Richtig. Mocca fährt geschäftlich in Australien herum, aber der Mann, den er wirklich besuchen wird, heißt Roper. Das war drüben nicht so schwierig zu erfahren. Haben Sie jemals von C. J. Roper gehört?»
Modesty blickte fragend zu Willie, und beide schüttelten den Kopf. Sam Solon fuhr fort: «Ihr würdet ihn einen Exzentriker nennen, wir nennen ihn einen Narren. Machte vor fünfzig Jahren ein Vermögen mit Schafzucht und baute sich am Edgar-See in Tasmanien ein Schloß. Er hat keine Freunde dort und lebt sehr zurückgezogen, aber hin und wieder erhält er Besuch aus Europa oder aus den Vereinigten Staaten, zumeist
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