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Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Titel: Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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getan», stimmte Clarissa zu. Sie sah sich prüfend um, um sicherzugehen, daß sie keine Spuren ihres Besuches hinterlassen hatten.
    «Trotzdem glaube ich, es war ganz gut, daß Fletcher ihn nicht gesehen hat. Schließlich hatte er ein, zwei Alpträume von einem Chinesen.»
    «Selbst als er sprach …», sagte ihr Begleiter und hob ein Bild in die Höhe, auf dem nur zwei Farben, Schwarz und Grün, verwendet worden waren: es war ein verblüffendes, verzerrtes, aber leicht erkennbares Porträt von Dr. Feng. «Ich glaube nicht, daß es von Bedeutung ist», fuhr Beauregard Browne fort und sah die nächsten Bilder an. «Offensichtlich kommen wir beide hier nicht vor. Ach, aber sieh dir das einmal an, mein Goldherz.»
    Auf dem Bild, das er in die Höhe hielt, gab es weder Verzerrung noch Verfremdung. Das waren Condoris grobe Züge.
    «Ist das nicht seltsam?» überlegte Beauregard Browne. «Warum hängt das Gesicht des braven Condori in den dunklen Winkeln seiner Erinnerung? Offensichtlich verbindet der törichte Fletcher das Gesicht nicht mit der Person und ihrem Hintergrund. Vielleicht ist es ein ganz gutes Gesicht, sehr kräftig, nicht wahr? Jedenfalls ist es Condori bis zum i-Punkt, wie man sagt. Vielleicht sollten wir es ihm mitbringen?» Seine Augen blickten über Clarissa hinweg und weiteten sich ein wenig. «Ach nein, wer kommt denn da? Es ist der verschlafene Luke, behaupte ich. Ich glaube, es ist noch eine klitzekleine Spritze vonnöten.»
    Luke Fletcher stand, nicht ganz sicher auf den Füßen, an der Türschwelle, seine Augen verglast von der Nachwirkung der Betäubung. Er runzelte die Brauen, starrte auf das Bild und atmete tief und mit Anstrengung, als wolle er einen klaren Kopf bekommen.
    «Condori», sagte er langsam. «Ja, Sie haben recht. So hieß er. Jetzt erinnere ich mich. Aber … wer war er? Wo …?» Er schüttelte den Kopf, rieb sich am Kinn, machte mit halbgeschlossenen Augen ein, zwei Schritte. «Einen Augenblick, Condori. O Gott, ja! Er war der Aufseher aller dieser Männer. Der Wächter. Diesen Namen rief der Chinese, wenn er genug mit mir gesprochen hatte. Sprechen, immer sprechen. Er rief Condori, damit er die Tür aufschließe. Richtig. Ich erinnere mich …
ja

    Er preßte die Hände gegen die Backenknochen, verkrallte die Finger in seinem Haar. Seine Augen waren weit aufgerissen und leer, als er in den Tunnel der Vergangenheit hinabblickte.
    «Es gab Bilder, und all die andern Dinge an diesem Ort, wo … er prahlte immer … in dem Haus, wo wir Dinner aßen, und nachher … prahlten … wie hieß er doch?»
    Luke Fletchers Augen wurden plötzlich klar. Er starrte Clarissa einen langen Augenblick an. «Dort habe ich Sie gesehen! Sie waren dort.» Sein Blick wanderte zu Beauregard Browne. «Und Sie. Mein Gott, ja, jetzt erinnere ich mich an
Sie
! In jener Nacht war der Wächter betrunken, und als er die Tür kontrollierte, schob er den Riegel nicht vor, und als er einschlief, ging ich hinaus und hinunter zur Bucht; da lag das Schlauchboot, und ich paddelte eine Ewigkeit, bevor ich den Motor startete, damit mich niemand hört …»
    Fletcher schwitzte jetzt, und die Worte kamen wie ein Sturzbach. «… und es gab so wenig Wasser und nichts zu essen. Ich hatte Angst. Tag um Tag, und die Sonne brannte. Mit meinem Hemd versuchte ich ein Segel zu machen, und der Wind blies es fort, und ich versuchte, einen Fisch zu fangen, aber ich wußte nicht wie, und es ging weiter und weiter …» Er holte tief Atem. «Und dann fand mich Modesty.»
    Im Studio herrschte Schweigen. Fletcher stand mit herabhängenden Armen da, erschöpft von dem Grauen, das er soeben wiedererlebt hatte. Nachdenklich sah ihn Clarissa an und spitzte die Lippen. Schließlich sagte sie:
    «Du lieber Himmel.»
    Beauregard Browne stellte langsam das Bild von Condori zurück. «Wie du ganz richtig sagst, Puppe. Du lieber Himmel. Unser gerissener orientalischer Freund scheint nicht so gut funktioniert zu haben wie wir dachten.» Er ging mit strahlendem Lächeln auf Luke Fletcher zu, die veilchenblauen Augen funkelten vor Vergnügen, und seine Rechte spielte mit der Ecke eines weißen Seidentuches, das aus seinem linken Ärmel lugte. «Ein Haarriß in einem Gedächtnisblock ist eine Sache, aber jetzt ist der ganze Damm zusammengebrochen, und das können wir einfach nicht gebrauchen, nicht wahr? Ich meine, ist es nicht so? Es tut mir leid, Luke, mein Bester, aber eben hast du dir nichts Gutes eingebrockt.»
    Das goldene Haar, das

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