Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
erwischen und erledigen. Doch, o nein, das tue ich nicht. Auf ärztlichen Befehl vernachlässige ich meine Pflichten gegenüber einem Gast. Stattdessen nehme ich ungeheure Mühsal auf mich und bringe uns alle in Lebensgefahr, um Bernard Martels letzten Wunsch zu erfüllen. Irgendwie ist es uns gelungen, ihn zu erfüllen. Wir haben Tracy June tatsächlich heil und gesund herausbekommen, nicht wahr? Und sieh dir an, was daraus geworden ist!«
Pennyfeather nickte bedächtig. »Ich verstehe, dass diese Überlegungen dich irritieren«, stimmte er zu.
»Aber wenn du es nicht getan hättest, wäre ich für immer in Xanadu geblieben, Liebling. Und schließlich und endlich hast du auch El Mico erledigt, nicht?«
Modesty sah ihn eine Weile nachdenklich an. Dann:
»Weißt du, was ich mit dir tun werde, Giles? Ich werde dich kurzzeitig davon abhalten, so tugendhaft zu sein.
Ich werde dir einen Job auf einem Luxusdampfer verschaffen, der Kreuzfahrten in der Karibik macht. Da wirst du in Saus und Braus leben, nur von reichen Leuten umgeben sein und nicht die geringste Gelegenheit haben, für irgendjemanden etwas Gutes zu tun. Hörst du mir eigentlich zu?«
Pennyfeather lachte gutmütig. »Natürlich höre ich dir zu. Aber ich dachte eben, es ist wirklich ganz komisch mit Tracy June, nicht? Ich meine, wir brechen uns beinahe das Genick, um die Dame aus ihrem Elend zu erlösen, und dann erteilt sie uns eine solche Abfuhr.«
Modesty seufzte und sah Willie an. »Meinetwegen, lacht, so viel ihr wollt.«
»Danke, Prinzessin, das hebe ich mir für später auf. Etwas Gutes hat die Sache an sich: Wir müssen uns nicht den Kopf zerbrechen, was wir jetzt mit Tracy June anfangen.«
»Ich hatte eigentlich eine sofortige Heirat mit Giles geplant. Vielleicht hätte ihn das daran gehindert, mich fortwährend in Schwierigkeiten zu bringen.«
Pennyfeather schmunzelte: »Da ist mir die Luxuskreuzfahrt noch lieber.«
Wille sagte: »Wir wissen aber immer noch nicht, was wir mit der, du weißt schon was, machen wollen.«
Ein lausbübisches Grinsen erhellte ihr Gesicht, und sie zwinkerte ihm zu. »Nur nichts überstürzen. Diese hübsche Kleinigkeit ist eine Waffe, Willie, mein Lieber. Wir werden eine Verwendung für sie finden.«
»Wenn ich großes Glück habe«, sagte Sir Gerald Tarrant, »werde ich jetzt für Sie ein Taxi finden.«
»Nein, machen Sie sich, bitte, keine Umstände, ich gehe lieber zu Fuß. Weng wartet im Hyde Park mit dem Wagen und bringt mich direkt nach Heathrow.«
Sie sieht einfach fabelhaft aus, dachte Tarrant. Sie waren soeben aus dem Klub in Pall Mall, wo sie zusammen zu Mittag gegessen hatten, wieder in sein Büro zurückgekehrt, und standen jetzt in Whitehall. Modesty trug eine schwarze Jerseybluse zu einem Kamelhaarrock und als einzigen Schmuck eine Perlenkette, ein Geschenk von Willie Garvin, der jahrelang in allen möglichen Erdteilen getaucht hatte, um die siebenunddreißig prachtvollen, ebenmäßigen Perlen für sie zu finden. »Es war sehr nett von Ihnen, mich zu besuchen«, sagte Tarrant.
»Es war mir ein Vergnügen, nur habe ich mich gefragt, warum Sie Willie gestern zum Lunch ausgeführt haben und heute mich, anstatt uns beide gleichzeitig. Wir kommen ganz gut miteinander aus, wissen Sie.«
Er lachte. »Ich weiß. Aber ich bin ein altes Schlitzohr und wollte so viel wie möglich über die Xanadu-Geschichte erfahren. In dieser Beziehung seid ihr beide nicht sehr mitteilsam, aber wenn ich mit einem von euch allein bin, kann ich wenigstens
etwas
erfahren. Wenn ihr zusammen seid, lenkt ihr fortwährend ab.«
»Nicht absichtlich. Wir reden nicht viel über Abenteuer, die vorüber sind, nicht einmal, wenn wir allein sind. Außer wenn irgendetwas Komisches passiert ist. Aber an die üblen Momente erinnern wir uns nicht gern, und es gibt immer mehr als genug davon. Jedenfalls haben Sie diesmal mehr aus uns herausbekommen als gewöhnlich, glaube ich.«
»Das stimmt. Darf ich Fraser die Geschichte erzählen?«
Fraser war Tarrants rechte Hand. Als er noch aktiver Agent war, galt er, laut Tarrant, als der beste Mann in der Geschichte der Abteilung. Äußerlich war er ein kleiner schüchterner Mann, überaus freundlich und harmlos. Es gab manche, die Frasers wahre Natur erst im Augenblick ihres Todes erkannten. Hinter dem nichts sagenden Äußeren verbarg sich ein erbarmungsloser Zyniker und hinter dem Zyniker ein Mann, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, die Feinde seines Landes aufzuspüren und zu
Weitere Kostenlose Bücher