Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
den Reservemagazinen und der Star .45 Automatik in die Decke ein, verstaute sie wieder im Plastiksack, verknotete ihn und warf ihn über den Rand der Klippen auf den steinigen Strand fünfzig Meter weiter unten. Seine Messer behielt er bei sich. Ihr Gewicht würde bei der vor ihm liegenden Aufgabe keine Rolle spielen.
Er hob Modesty auf den Rücken, wobei ihr rechter Arm auf seiner Schulter zu liegen kam, und bückte sich dann. Er schnitt der Länge nach ein Stück des Deckensaumes ab, zog ihre linke Hand unter seiner Achsel nach vorn und band ihre Handgelenke zusammen, so daß ihre Arme wie ein Schultergurt um ihn geschlungen waren. Das kleine rechteckige Deckenstück schlang er als Schutz um ihre Hände und Handgelenke und befestigte es mit den kurzen Stücken des Saums.
Schließlich band er den restlichen dicken Saum ein paar Mal um ihre beiden Körper, bevor er ihn verknotete, und sie fest und sicher an seiner Hüfte hing.
»Wir werden diese Schlacht gewinnen, Prinzessin«, murmelte er. Dann kletterte er zum Rand der Klippe, drehte sich um und machte sich an die schwierige Aufgabe, mit dieser Last auf dem Rücken hinunterzuklettern.
Die Klippe war aus Kalkstein, den Wind und Wetter stark zerfurcht hatten. Er hatte ein gutes visuelles Gedächtnis und erinnerte sich daran, daß das Gefälle der einen Kilometer langen Klippe zum Großteil nicht senkrecht war. Es war steiler als fünfundvierzig Grad, und das konnte genügen, um den Abstieg mit seiner Last gerade noch möglich zu machen. Ausgespreizt auf dem Klippenrand liegend, nach Sicherungen für Füße und Hände tastend, richtete er seine Gedanken völlig auf Modestys rhythmischen Herzschlag, der gegen seinen Rücken pochte, während sie dicht an ihn gepreßt an ihm hing, und begann dann seinen Weg nach unten zu suchen.
In den nächsten eineinhalb Stunden bemühte er sich darum, kaltblütig zu bleiben, damit er weder durch Hoffnung noch Furcht geschwächt würde, sondern sich völlig auf eine endlose Qual konzentrieren konnte. Nur die kleine Spannbreite an Urteilsfähigkeit, die seine Hände und Füße leitete, war für äußere Reize empfänglich. Langsam, langsam, wie ein blindes verkrüppeltes Insekt kroch er die Klippen hinunter und blieb jedesmal stehen, wenn ein Felsenriff, eine Höhle oder ein flacherer Winkel des Gefälles dazu Gelegenheit bot.
Einmal, nach fünfzig Minuten, erreichte er einen Punkt, wo das Gefälle für eine kurze Strecke senkrecht wurde, und verbrachte zehn Minuten mit dem beschwerlichen Queren des Hanges, bevor er sich sagte, daß das Steilstück sich endlos über die gesamte Klippe ausdehnen konnte. Es folgten fünf qualvolle Minuten für Nerven und Muskeln, als er mit ihrem gesamten Gewicht auf dem Rücken weiter hinunter kletterte.
Dann glückliche Erleichterung, als eine minimale Schrägung ihm einen Teil der Last wieder abnahm.
Als seine Füße schließlich die Kieselsteine des Strandes berührten, dauerte es einige Sekunden, bevor er seine Finger losbekam, die noch immer einen Felsen umklammert hielten. Er sank zu Boden und blieb liegen. Seine Hände bluteten. Ihr schlaffer Körper lag auf ihm, während er Luft in seine Lungen pumpte und die Zähne zusammenbiß, um den plötzlich einsetzenden Krampf abzuwehren. Aber der Schmerz war unbedeutend im Vergleich zu dem tief empfundenen Triumphgefühl, das sich langsam in ihm ausbreitete, als er sich wieder entspannte. »Ich habe es geschafft, Prinzessin«, flüsterte er mit ächzender Stimme. »Verdammt noch mal, ich hab’s geschafft – und ganz allein.«
Kurze Zeit später zerschnitt er die Streifen der Decke, fand den Plastiksack samt Inhalt und begann, nach einer kleinen Höhle Ausschau zu halten, die er gesehen hatte, als er mit Dr. Tyl die Bootstour um Kalivari herum unternommen hatte.
14
Dinah Collier fragte mit zitternder Stimme: »Du meinst, sie hat tatsächlich mit Weng
gesprochen?
Er ist ganz sicher, daß es Modesty war?«
»Hundertprozentig sicher, mein Liebling.«
»Aber dann war die Funkverbindung unterbrochen? Ganz plötzlich?«
»Also … ja«, bestätigte Collier. »Aber das muß nicht unbedingt heißen, daß wir uns deswegen Sorgen machen müssen, meint Tarrant.«
»Woher will
er
das wissen?«
»Nun ja, er weiß es nicht. Er versucht nur, uns zu beruhigen. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Mein Gott, schließlich
wissen
wir, daß sie vor ein paar Stunden noch gelebt hat, und wir wissen, daß Willie gelebt und sie ihn schließlich
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