Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
Kopf in Modestys Richtung. »Was ist mit denen passiert, die es getan haben?«
Modesty antwortete: »Da waren zwei oder mehr Männer in einem Boot, und einer kam an einem verlassenen Küstenstreifen an Land, um dort seine Aufgabe mit einer Pistole zu erledigen. Willie hat gekontert, und der Mann wird es kein zweites Mal tun. Die anderen sind abgehauen.«
Collier fragte bedächtig: »Verstehe ich richtig, daß der Scheißkerl mit der Pistole nun ein toter Scheißkerl ist?«
»Ja.«
Collier atmete geräuschvoll aus. »Nun, das lindert meine Pein ein wenig«, sagte er zufrieden. »Dieser Garvin ist ja ein liebenswürdiger Mensch, aber wenn einer seinen Damen zu nahe treten will, macht er kurzen Prozeß mit ihm. Wenn er zurückkommt, werde ich ihn auf einen kleinen Gin-Tonic einladen. Und jetzt zu dieser Geschichte mit Molly Chen, bitte!«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, erwiderte Modesty. »Kurz nachdem ich Willie kennengelernt hatte, gab ich ihm einen Probeauftrag in Hongkong. Es hatte etwas mit Molly Chens Großvater zu tun, der dort eine Art Unternehmer war. Willie ist dabei auf ziemliche Schwierigkeiten gestoßen, hat sie aber bewältigen können. Das war … Moment … ja, vor neun Jahren. Im vorigen Jahr hat Willie mit seinem Zirkus eine Fernosttournee unternommen –« Danny Chavasse blickte von seinem Teller auf:
»Entschuldige, hast du Zirkus gesagt?«
»Ja, weißt du das nicht? Willie hat, kurz nachdem wir aus dem Geschäft ausgestiegen sind, fünfzig Prozent von einem Wanderzirkus gekauft. Das Unternehmen wird eigentlich von seinem Partner Georgi Gogol geführt, aber Willie verbringt immer ein paar Wochen im Jahr bei seinem Zirkus, manchmal auf Tourneen hier in England, manchmal im Ausland. Ich habe selbst gelegentlich dort einige kuriose Jobs übernommen. Es ist wirklich faszinierend.«
Dinah sagte: »Ich habe einmal einen ganzen Tag mit Willie im Zirkus verbracht. Das ist ein herrlicher Platz für Gerüche, Danny.«
»Bitte keinerlei Reminiszenzen an das Ausmisten der Elefantenställe«, verlangte Collier. »Ich warte auf weitere Einzelheiten in Sachen Willie Garvin und Molly Chen, und bei jeder weiteren Unterbrechung werde ich den Gerichtssaal räumen lassen.«
»Willie war eine Zeitlang mit dem Zirkus in Hongkong und hat Molly Chen aufgesucht. Ihr Großvater ist vor einigen Jahren gestorben. Wir wissen nicht, was mit seinem Geld geschehen ist, aber Molly hat es nicht bekommen. Sie hat geheiratet, und ihr Mann ist, kurz bevor Willie zu ihr kam, bei einem Unfall ums Leben gekommen. Es ist ihr danach ziemlich dreckig gegangen. Sie wollte aus Hongkong heraus, und Willie hat ihr einen Job im Zirkus verschafft. Der Zirkus verbringt derzeit eine Saison in England, und Molly hatte Urlaubsanspruch. Weil die Ferien aber für sie allein nicht so lustig gewesen wären, ist Willie mit ihr nach Malta gefahren.«
Dinah fragte: »War das das Mädchen, nach dem Willie bei der Vorstellung in Guildford, zu der du mich mitgenommen hast, Messer warf? Du hast erwähnt, daß sie Chinesin ist.«
»Das war Molly. Sie verkauft Programme, flickt Kostüme, und macht jede Arbeit, die gerade anfällt. Aber wenn Willie eine Vorstellung geben will, dann spielt sie für ihn die Zielscheibe. Er hat mir erzählt, daß sie dieses Leben liebt und den brennenden Ehrgeiz hat, Clown zu werden.«
Collier tätschelte seiner Frau den Arm. »Das wäre doch etwas für dich. Mit einer großen roten Nase und Schlabberhosen –« Er hielt abrupt inne. »Nein, warte.
Das wollte ich gar nicht sagen. Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja. Bevor diese Frau mit der Bratpfanne mich aus dem Konzept gebracht hat, wollte ich gerade sagen, daß dieser Molly Chen-Bericht typisch für die Blaise’sche Erzählkunst ist. Sie hat die einmalige Gabe, jede Geschichte um ihre Pointe zu bringen. Ich zitiere – Willie kennengelernt bla bla bla, Probeauftrag in Hongkong bla bla bla, auf Schwierigkeiten gestoßen bla bla bla, bewältigen können bla bla bla.« Collier schüttelte in einer Geste der Verzweiflung den Kopf. »Wie macht sie das? Wie kann sie die Kunst der Erzählung auf ein so unsagbar niedriges Niveau herabzerren? Die Fragen sind rein rhetorischer Natur, mein lieber Danny, du kannst also ruhig weiterfrühstücken. Was ich wissen möchte, während ich hier sitze und langsam verhungere, ist,
welchen
Job er ausführen sollte. Auf
welche
Art von Schwierigkeiten ist er gestoßen?
Wie
hat er sie bewältigen können? Und wie und warum und
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