Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
Modesty Blaise wütend an die Schulter gestoßen, war dadurch aber selbst aus dem Gleichgewicht geraten, denn Modestys Körper glich einer steinernen Statue. Außerhalb der doppelt versperrten Zelle schalt Mrs. Ram den Wächter gleich heftig für seine, wie sie es nannte, »nicht autorisierte Aktivität«, drohte, ihn Dr. Pilgrim zu melden, falls er einen solchen Angriff wiederholen sollte, und trat ihn kräftig in die Hoden, um das Ausmaß ihres Mißfallens zu zeigen.
Als sie Dr. Pilgrim über den Zustand der beiden Besucher informierte, blickte er mit irrem Lächeln auf die weiße Maus in dem Käfig, der nun auf seinem Schreibtisch stand, und sagte: »Ausgezeichnet, ausgezeichnet, liebe Dame. Miss Blaise ist ganz eindeutig eine überaus begabte junge Person. Nun, darf ich Sie fragen, ob Sie in Hinblick auf das Hallelujah-Szenarium irgend etwas Neues zu berichten haben?«
»Nur daß, wie im gestrigen Funkspruch angekündigt, Tanker
Marimha
Ölladung heimlich in Beira abgeladen hat und sich nun mit Tanks voller Meerwasser auf hoher See befindet, auf der Route zur Küste Senegals zum Treffpunkt mit unserem Frachtschiff, worauf dann Zerstörung von Tanker und Mannschaft durch kombinierte Gebetserhörungsabteilungsteams erfolgt.«
»Es darf sich nicht zu – äh – zu lange
hinziehen
, bevor sie sinkt«, murmelte Thaddeus Pilgrim. »Ja, Doktor. Diesbezügliche Instruktionen werden unmißverständlich sein.«
Er schien eine Weile zu überlegen und beäugte neugierig die Maus. »Wieviel Zeit haben wir vor dem Zusammentreffen?« fragte er schließlich.
»Genaues Datum wird endgültig festgelegt, nachdem
Marimha
zehnten südlichen Breitegrad passiert hat, aber voraussichtliches Datum ist heute in zweiundzwanzig Tagen. Frachtschiff wird eine Woche früher in Dakar sein, und Flugarrangements für rasche Beförderung des GEA-Personals nach Dakar drei Tage vor Treffen sind vorbereitet.«
Er nickte feierlich. »Das scheint uns ausreichend Zeit zur Erstellung des neuen Szenariums zu gewähren, liebe Dame. Wie faszinierend ist es doch, über die Alternativen zu sinnieren, die sich daraus ergeben können oder auch nicht. Nun, bevor Sie gehen, darf ich Ihre Güte mißbrauchen und Sie bitten, mir im Laufe des heutigen Tages, natürlich nur dann, wenn es Ihnen angenehm ist, ein paar Dinge aus unserer medizinischen Abteilung zu bringen?«
Sie riß alarmiert die Augen auf. »Sie werden sich doch nicht unwohl fühlen, Doktor?«
»Nein, nein, Mrs. Ram, ich erfreue mich bester Gesundheit, danke.« Er lächelte verschwommen, streckte seinen Arm aus und fuhr mit der Spitze eines seiner schlaffen Finger über die Stäbe des kleinen Käfigs. Die weiße Maus richtete sich neugierig auf. »Seien Sie versichert«, meinte er, »die medizinisch-chirurgischen Gegenstände, die ich benötige, sind nicht für mich.«
In Whitehall regnete es. Sir Gerald Tarrant, Chef einer äußerst geheimen Geheimdienstabteilung des Außenministeriums, blickte auf das Meer tänzelnder Regenschirme hinunter, die Muster auf den Gehsteig webten.
Dann wandte er sich vom Fenster seines Büros ab und sagte: »Sie ist jetzt erst fünf Tage verschwunden, Collier. Das ist keine Zeitspanne, wenn Modesty … arbeitet. In Limbo war sie einen Monat lang verschwunden, das wissen Sie doch sicher noch.«
»Nur zu gut.« In Professor Stephen Colliers Stimme schwang eine Spur von Ärger mit. Blaß, müde und gereizt saß er Tarrant an dessen Schreibtisch gegenüber.
Danny Chavasse neben ihm war gedrückter Stimmung, hatte sich aber unter Kontrolle. »Es ist schon mehr als zwanzig Tage her, seit Willie geschnappt wurde«, sagte Collier, »und sie haben nicht gearbeitet, wie Sie es nannten. Aus heiterem Himmel hat jemand Molly Chen umgebracht und Willie gefaßt. Modesty hat zwei Wochen gebraucht, um seine Spur bis nach Athen zu verfolgen. Sie ist ihm nachgegangen und selbst verschwunden. In Ihrer Position können Sie doch bei Gott ganz sicher etwas unternehmen? Wieviel Opfer hat sie schon gebracht, um für
Sie
etwas zu tun?« Tarrant erwiderte ruhig: »Mehr als ich denken kann.
Es gab eine Zeit, da machte ich von Modesty Gebrauch und brachte ihr nicht mehr oder weniger persönliche Achtung entgegen, als ich sie in meinem Job für meine offiziell angestellten Agenten empfinden darf. Diese Zeiten sind vorbei. Ich habe seit langem eine tiefe persönliche Zuneigung zu Modesty, genau wie Sie beide, und ich verdanke ihr mein Leben – ebenfalls wie Sie beide.« Er machte eine
Weitere Kostenlose Bücher