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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Bittermann
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»Bionade, Bier … Was soll’s sein?«
    Erst spät in der Nacht sinkt der Lärmpegel. Ich sitze auf meiner Veranda, die gar keine Veranda ist, sondern ein Fenster zur Straße, und rauche ins Freie hinaus. Fast lasse ich mich von der trügerischen Stille einlullen, aber da kommt schon die nächste Lärmquelle um die Ecke. Eine Disco auf Rädern mit riesigen Boxen, die in düsenjägerlauter Beschallung die Leute mit Shakira wieder auf Vordermann bringt. Es hätte ja jemand einpennen können.

Einbruch
    Frühstück bei »Primo Maggiore«. Am Zaun lehnt der klapprige Mann mit einem zwanzig Zentimeter hohen Absatz am linken Schuh. Er hinkt, ist ja klar, aber nicht nur das, er hat auch einen ebenso klapprigen Hund und einen Schnurrbart. Er unterhält sich mit einer dicken Frau mit vielen Plastiktüten, die in seinem Haus wohnt. Irgendjemand lässt immer die Haustür offen. »Und was ist? Schickt er seine Kumpel und beklaut uns.« Der klapprige Mann hört sich den ständig neu aufgebrühten Sermon an. »Schickt er seine Kumpel, und was dann?« Wer schickt seine Kumpel, frage ich mich, kann es aber nicht herausfinden.
    Dann sagt der Mann mit dem hohen Absatz: »Komm ich nach Hause. Tür offen, wa? Stehen da Zwei in der Ecke und rochen. Sach ich: ›Macht hier keene Scheiße.‹« »Und dann räumen sie einem den Keller aus«, sagt sie wieder. Der Dialog zieht sich zwanzig Minuten hin. Inzwischen dürfte der Keller leergeräumt sein.
    Dann kommt doch noch mal was neues von der dicken Frau: »Unser Schlafzimmer ist ja Parterre, weeßte ja. Also, wir ham nen Beesbollschlächa unterm Bett und ne Pistole. Und vorne uffm Fenstersims hamwer Scherben hinjemacht, damit hier keener erst gar nich auf dumme Jedanken kommt, wa.«
    Puuh, denke ich, Einbrecher haben es aber auch nicht leicht.
    Ein alter Türke vor meiner Wohnung bückt sich und hebt was auf, und weil ich gerade seinen Weg kreuze, hält er mir einen goldenen Ring hin und sagt: »Zwanzisch Euro.« Fairer Deal, denke ich, und gebe ihm die zwanzisch Euro.
    Am nächsten Morgen dehne und strecke ich mich im Bett. Hier ist es schön, hier bleibe ich, denke ich, auch als es raschelt und schabt, aber nur ganz leise. Ich denke, och nö, hab jetzt keine Lust. Dann denke ich nichts mehr und döse weiter. Wieder raschelt es. Jetzt riskiere ich doch mal einen Blick. Ein junger Mann mit Kapuze über den Kopf gezogen steht direkt neben meinem Bett, ist – wuuusch – wie ein geölter Blitz mit drei Schritten beim Fenster und springt raus. Erdgeschoss. Alles geht so schnell, dass ich nicht mal Zeit habe, ordentlich zu erschrecken. Und jetzt, wo er wieder weg ist, kann ich genausogut weiterdösen.
    Später ärgere ich mich ein wenig über die deutlich sichtbaren Spuren aus feuchter Gartenerde, die der Kapuzenmann auf meinem Teppich hinterlassen hat. Den dicken türkischen Goldring hat er mitgehen lassen. Hatte der ein Glück, dass er nicht bei der dicken Frau eingestiegen ist.

Der Fischladen
    Vor dem Fischhändler in der Dieffenbachstraße versperrt Harald Martenstein Kunden den Weg. Er steht direkt im Eingang. Vor ihm ein Kameramann, der eine Kamera geschultert hat, ein Mikrophonmann, der ein Mikro vor den Mund Martensteins hält, und einer ohne irgendwas, bestimmt der Regisseur. Martenstein spricht ins Mikrophon und schaut in die Kamera. So mit Fischladen im Hintergrund spricht er wahrscheinlich über den Fischladen, bestimmt was nettes, denn sonst würde er ja nicht vor dem Fischladen stehen und dabei in die Kamera sprechen. Wahrscheinlich macht er Werbung für den Fischladen, weil er da immer einkauft. Merkwürdig, denke ich, womit manche Leute ihr Geld verdienen. Stehen vor einem Fischladen und sagen, dass der Fischhändler eine Bereicherung für den »Graefekiez« ist.
    Herr Fup kräht, als wir an dem Ensemble vorbeigehen. Ob sie das später rausschneiden? Dabei wäre das Gekrähe auf jeden Fall eine Bereicherung. Auf der anderen Seite ist Harald Martenstein auch nicht peinlicher als mein alter Schulfreund Thomas Gottschalk, der u.a. sein Geld damit verdient, dass er sich in große Senftöpfe hineintunken und als strampelndes Senfmännchen wieder herausziehen lässt. Glauben Sie nicht? Ich konnte es auch nicht glauben, gäbe es nicht die kompromittierenden Fotos. Na gut, ich hab ihn schon früher für nicht sehr helle gehalten.
    Ein paar Ecken weiter stehe ich unschlüssig herum und warte auf Inspiration. Die kommt dann auch sofort angeschlurt. »Ich helfe jedem, der Respekt hat.

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