Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
ich Fup, aber Fup hört mir nicht zu. Fup hört mir nie zu. Fup interessiert sich nicht für den torkelnden beige-blauen Leander Haußmann, er macht Faxen, und die Touristen winken ihm zu und lachen. Ich kann zwar nicht sehen, was er da oben auf meinen Schultern für Faxen macht, aber ich kenne ihn. Er muss immer die Rampensau geben. Vielleicht sollte ich mit einem Hut herumgehen und Geld sammeln, denke ich. Gegenüber Fup kann Leander Haußmann mit seiner Torkelnummer echt einpacken.
Berlin Blues
Die Verkäuferin am Leckerback-Tresen sagt zu der Frau neben mir: »Der junge Mann da war glaube ich vor Ihnen.« Das passiert mir in letzter Zeit häufiger. Nicht, dass ich bevorzugt behandelt, sondern dass ich mit »junger Mann« angeredet werde. So sind die Berliner. Lassen sich keine Gelegenheit entgehen, dich ihren Sarkasmus spüren zu lassen. Daran merke ich, dass ich alt werde. Vielleicht liegt es auch an dem miesen Wetter, das jemand wie eine graue und verranzte Wolldecke über Berlin gelegt hatte, oder an den lausigen Fällen, die ich zu bearbeiten hatte. Meistens jagte ich getürmten Ehemännern hinterher und anschließend hinter ihren Frauen, weil sie nicht zahlen wollten.
Stop! Der letzte Satz stammt aus der Chandler-Verfilmung »Farewell my lovely« mit Robert Mitchum und gehört gar nicht hierher. Oder vielleicht doch? Jedenfalls hat mich der Berlin Blues im Klammergriff. Da kommt mir einer wie Robert Mitchum gerade recht. Natürlich jage ich weder getürmten Ehemännern noch ihren Frauen hinterher, sondern laufe mit eingezogenem Kopf und hochgeschlagenem Mantelkragen die Urbanstraße entlang. Wie James Dean, nur dass James Dean natürlich nicht durch die Urbanstraße gelaufen wäre.
Feiner Nieselregen nieselt. Im türkischen Antiquitätenladen sitzen sich zwei Männer schweigend gegenüber, die Blicke auf den Boden geheftet. In einer Bäckerei kann sich ein kleines Mädchen nicht entscheiden. Im Café »Casino« guckt ein alter Mann ausdruckslos ins schale Bier. Im Zeitungskiosk sitzt der Kioskbesitzer zusammengekauert mit verschränkten Armen hinter einer zugezogenen Scheibe und starrt ins Nichts. Ein Mann lässt die Rollos seines Ladens runter und sagt: »Das war’s!« Niemand ist da, der ihm hätte widersprechen können. Eine alte Frau schleicht im Tempo einer Schildkröte auf Schlaftabletten den Weg entlang. Ich glaube nicht, dass sie heute noch irgendwo ankommt.
Der Berliner Blues macht mich müde. Vielleicht bin ich auch deshalb müde, weil ich wirklich alt werde, höre ich Robert Mitchum sagen. Ja, so wird’s wohl sein, seufze ich hingerissen von meiner Schwermut, die ich förmlich kneten kann.
»Junger Mann«, sagt die alte Frau hinter mir, »können Sie mal einen Schritt zur Seite gehen?«
Friseur und Penner
»Das Problem ist, dass ich ständig mit Pennern herumhänge, die ich nicht verstehe«, sagt ein Mann mit einer Bierflasche in der Hand zu einem anderen Mann, der auch eine Bierflasche in der Hand hat, aber in der anderen Hand außerdem noch einen Stock, an dem er geht. Vielleicht liegt das Verständigungsproblem daran, denke ich, dass der mit dem Stock gute zehn Meter hinterherhinkt, und auf die Entfernung wird es tatsächlich schwierig, jedenfalls bei einer temperierten Unterhaltung. In diesem Fall aber höre sogar ich alles, und ich stehe auf der anderen Straßenseite. Der Mann mit dem Stock antwortet etwas auf türkisch. Vielleicht beschwert er sich darüber, dass er wie eine türkische Ehefrau hinterherlaufen muss. Immer wieder dreht sich der vorneweg laufende Mann um und beschwert sich über irgendetwas. Aber er wahrt den Abstand. Wenn der Ältere mit Flasche und Stock zu nahe kommt, eilt der Jüngere nur mit Flasche davon, bleibt der hinten stehen, bleibt auch der vorne stehen.
Ein bisschen wie eine Ziehharmonika, denn natürlich ist der Abstand nicht immer gleich groß. Ein eigenartiges Paarlaufen. Ich meine, normalerweise laufen die Leute ja nebeneinander, vor allem, wenn sie sich unterhalten. In diesem Fall verläuft die Unterhaltung von vorne nach hinten, bzw. umgekehrt, also etwas komplizierter als sonst, vor allem für den vorne, weil er sich ja immerzu umdrehen muss, um sich zu vergewissern, ob der Andere noch da ist.
Am Kottbusser Damm verliert sich ihre Spur und ich gehe zum Kuaför »Star«. Mein Berber, der mir normalerweise die Haare schneidet, ist nicht da. Nur ein Ersatzberber. Ich frage ihn, ob er Fup die Haare schneiden kann. Fup starrt den Ersatzberber aus
Weitere Kostenlose Bücher