Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
und alles wieder paletti ist, wird das Babybecken geschlossen.
Plötzlich kommt Hektik bei der knallroten Sicherheit auf. Drei von ihnen bewegen sich eilig auf die Liegewiese zu. Kurz darauf kommt die Durchsage: »Aufgrund unschöner Vorkommnisse wird das Schwimmbad geschlossen. Bitte verlassen Sie die Schwimmbecken und räumen Sie die Liegewiese.« Kurze Zeit später kommt die gleiche Durchsage noch einmal, nur statt »unschöner Vorkommnisse« sagt der Bademeister, »ich weiß auch nicht, was ich dazu sagen soll«. Bei der dritten Durchsage handelt es sich dann um »polizeiliche Maßnahmen«.
Eine Schlägerei. Kaum jemand hat etwas davon mitbekommen. Der Täter ist geflüchtet, »aber wir ham ene jenaue Personenbeschreibung, wa«, sagt eine knallrote Sicherheit. Ein paar Leute mosern, aber die meisten nehmen die Kolletivbestrafung wortlos hin. Wahrscheinlich will die knallrote Sicherheit früher Feierabend machen. Kriegen ja nicht viel. Am Ausgang wünscht mir einer »einen schönen Abend noch«.
Zivilcourage
Als ich vor dem Prinzenbad am Schloss meines Fahrrads herumfummle, erhebt sich heftiges Frauenkreischen, wie man es selbst in Kreuzberg nicht alle Tage zu hören bekommt. Um was es geht, kann ich nicht verstehen, weil auf türkisch gekrischen wird. Es klingt nicht gut, eher sogar ziemlich übel, denn eine 16-jährige wird gerade von einem 18-jährigen verdroschen, vermutlich ihrem Freund. Er ist außer Rand und Band, zerrt sie an den Haaren und haut blindlings mit Fäusten und Füßen zu.
Nicht glotzen! Eingreifen, Zivilcourage, Hilfe leisten, Menschenleben schützen, los jetzt, sagt meine innere Stimme. Klar, aber wie einen völlig durchgedrehten Minderjährigen bändigen, gibt die andere innere Stimme zu bedenken. Willst du wie Dominik Brunner enden? Und im Olympiastadion von Dieter Hoeneß als großes Vorbild für praktizierte Nächstenliebe gefeiert werden? Quatsch, das war Uli Hoeneß in München, außerdem ist sein Bruder gar nicht mehr Hertha-Manager, sagt meine zivilcouragierte Stimme, die von den an den Haaren herbeigezogenen Argumenten der bedenkenträgerischen Stimme leicht genervt ist. Ja schon, aber hey, säuselt diese, bist du nicht aus dem Alter raus, dich in eine Schlägerei zu stürzen? Da könnte sie nicht ganz unrecht haben, denn für sowas bin ich nicht wirklich geeignet. Hätte ich eine Nahkampfausbildung bei der Bundeswehr gemacht, statt Behinderten den Arsch abzuwischen, dann vielleicht. Und ich fürchte, gewaltfrei brauche ich dem Minderjährigen mit der durchgebrannten Sicherung nicht zu kommen.
Ich habe das natürlich viel schneller gedacht, als Sie das gelesen haben werden, quasi in Sekundenbruchteilen ging mir das durch den Kopf. Da sind auch schon die Prinzenbad-Security-Jungs da und nehmen den kleinen Pitbull in den Schwitzkasten. Hey, denke ich, ich werde nie wieder was Schlechtes über die Prinzenbad-Security-Jungs sagen.
Plötzlich kreischt die Geprügelte: »Hey, ihr Schweine, lasst meinen Freund los!«
Meine inneren Stimmen, die ja sonst ziemlich viel Prosa haben, sagen nichts mehr.
Mediation und Lärm
Gleich zwei MediatorInnen mit großem I haben die Touristen auf der Admiralbrücke jetzt am Hals. Aber so häufig sind die gar nicht da. Ich meine die MediatorInnen. Die Touristen natürlich schon. Nur einmal habe ich sie gesehen. Da haben sie einen Flyer verteilt, in dem sie erklären, was eine Mediation ist.
Ich weiß das auch nicht, also lasse ich es mir erklären: »Mediation bedeutet Vermittlung durch professionelle Personen.« Oh, Professionelle also, denke ich. Aber was sind ihre Ziele? »Ziele der Mediation: Sich beteiligen. Verantwortung stärken. Veränderungen schaffen. Lösungen finden. Konflikte vermindern.« Wenn es sie noch gäbe, die in meinem Haushalt von Wiglaf Droste eingeführte Phrasenkasse, die MediatorInnen wären ihr Geld schnell wieder los, das gerade an der sozialen Sollbruchstelle gluckert.
Wenn es aber etwas ruhiger geworden ist, dann liegt das an der Polizei, die jetzt auch häufig auf der Brücke herumhängt und mit den Leuten mediatiert, also sich beteiligt und das alles. Sie ist ausgesprochen höflich und sagt der siebenköpfigen Kombo aus New Orleans, »the music is too loud for the Anwohner«. Aber so schnell können sie eine Lärmquelle gar nicht stopfen, sofort sprudelt woanders eine neue.
Am Urbanhafen sehe ich eine fahrbare DJ-Anlage mit zwei Plattentellern, und von einem im Kanal schippernden Boot ruft einer durchs Megaphon:
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