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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Philip Steffen Siebendt der Juniorchef der Siebendt GmbH, was jedem Wort, das er äußerte, zusätzliches Gewicht verlieh. Und er sah genau so aus, wie der Mann, den ich mir selbst machen würde, wenn ich könnte: Einen Meter siebenundachtzig groß, mittelblond, sportlich. Sein sportliches Aussehen täuschte, im Gegensatz zu dem meines Bruder, nicht. Siebendt war mit seinem Club deutscher Meister im Tennis gewesen, bevor er den Leistungssport aufgab, um den Job in der Firma seines Vaters anzutreten. Er lief zwei Marathons im Jahr und segelte Rennen auf der Familienjacht. Die Weihnachts- und die Osterfeiertage verbrachte er auf der Skipiste und jedenMorgen vor der Arbeit schwamm er tausend Meter im eigenen Pool. Seit einigen Jahren spielte er außerdem noch Polo. Auf eigenen Pferden natürlich.
    Seine blaugrünen Augen strahlten, seine schlanke Hand, die nach jedem Segelrennen zerschunden war von der harten Arbeit, drückte meine kleine Hand fest aber vorsichtig, als er mich an meinem ersten Arbeitstag als fest angestellte Mitarbeiterin der Siebendt GmbH willkommen hieß. Meine Hand war nicht feucht, aber damit das auch so blieb, zog ich sie schneller zurück, als ich eigentlich wollte. Handbäder in Salbeitee waren hilfreich, konnten aber keine Wunder wirken.
    Ich freue mich, dich wiederzusehen, Liebster, dachte ich.
    »Ich freue mich auch, wieder da zu sein«, sagte ich.
    »Frau Tutz wird ab jetzt fest hier arbeiten, Josef, Sie werden sie also täglich sehen.«
    Der Pförtner, den die Firma Siebendt GmbH sich noch leistete, lächelte mich freundlich an. Josef und ich kannten uns schon von meinem Praktikum. Er hatte in den Achtzigern im Lager gearbeitet und nach einem Unfall in die Pförtnerloge gewechselt. Da Josef alles, was in der Firma geschah, bereits lang vor den Betroffenen erfuhr, war auch diese Information für ihn mit Sicherheit nicht neu.
    Frau Wildenroth, die Abteilungssekretärin, begrüßte mich ebenfalls, allerdings deutlich weniger freundlich. Sie musste das Rentenalter inzwischen überschritten haben, aber niemand wagte, ihr den wohlverdienten Ruhestand nahezulegen. Sie war die persönliche Assistentin des Seniorchefs gewesen und hatte, wenn Not am Mann war, ihre Dienste für den Unternehmer auch in die Abendstunden ausgedehnt und gelegentlich auf den damals noch sehr kleinen Philip aufgepasst. Als der Junior dann ins Unternehmen eintrat, bekam er Frau Wildenroth zur Seite gestellt – ob als Assistentinoder Aufpasserin war mir nicht ganz klar. Sicher wusste ich nur, dass sie beides tat, also assistieren und aufpassen, und im Moment überwog eindeutig die zweite Tätigkeit.
    Ich war ihr zwar nach meinen beiden Praktika nicht gänzlich unbekannt, hatte aber als Studierende nicht die Wichtigkeit besessen, die Frau Wildenroth zu einer genaueren Inspektion veranlasst hätte. Als fest angestellte Mitarbeiterin allerdings und in meinem professionellen Outfit war ich ihr nun offenbar doch intensivere Aufmerksamkeit wert, und so betrachtete sie mich über ihre Lesebrille hinweg mit kritischem Blick. Als dieser auf dem Weg vom Scheitel abwärts bei meinen Füßen ankam, zuckte ihr großer Busen heftig.
    Das Zucken von Frau Wildenroths Busen war ihre Art, Missfallen auszudrücken, und so seufzte ich lautlos und ohne das in mein Gesicht gemeißelte Lächeln auch nur eine Sekunde unbeaufsichtigt zu lassen. Meine brandneuen Schuhe mit den schwarz-goldenen Stilettoabsätzen, die meine zu kurz geratenen Beine streckten und die Knöchel schlanker aussehen ließen, würde ich mir von ihr nicht verbieten lassen, da konnte ihr Busen ganze Morsealphabete hoch und runter zucken.
    »Die Herren sind gerade angekommen«, informierte Frau Wildenroth den von ihr vergötterten Philip.
    Siebendt lächelte mich an. »Etwas früher als geplant, aber das macht Ihnen hoffentlich nichts aus. Diese Gelegenheit, eine unserer wichtigsten Kundengruppen kennenzulernen, sollten Sie sich jedenfalls nicht entgehen lassen. Kommen Sie.«
    Ich eilte in mein Büro, freute mich über den Blumenstrauß auf dem Schreibtisch, legte Jacke und Handtasche ab und folgte Siebendt.
    Die Gruppe, um deren Ankunft es ging, bestand auszwölf Spitzengastronomen, die den wichtigsten Fachgroßhändler für Fleischwaren aus aller Welt persönlich kennenlernen wollten. Als PR-Managerin für die Produktlinie der exotischen Fleischsorten wie Kudu, Antilope und Bison würde ich in Zukunft genau diesen Leuten unsere Spezialitäten schmackhaft machen müssen. Ich

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