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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nun eine Designer-Jeans und ein hellblaues Designer-Hemd, handgenähte Lederschuhe und eine andere Uhr als gestern Abend. Vermutlich hätte ich von dem Gegenwert seiner Ausstattung ein ganzes Jahr leben können.
    Svenja warf ihm einen halb erstaunten, halb desinteressierten Blick zu.
    »Ach, Daniel, du lebst doch auf einem ganz anderen Stern.«
    »Ich ziehe um. Auf deinen Stern.«
    Wie bitte? War das jetzt romantisch oder lächerlich oder was? Ich starrte Daniel fassungslos an.
    »Ich gehe Ende Februar nach Indien in ein Karma-Kagyu-Kloster, um die buddhistische Ethik der ökologischen und sozialen Verantwortung zu lernen.«
    »Ich bin regelmäßig in Indien, da kann ich dich besuchen kommen.«
    »Das Kloster liegt nicht im Finanzdistrikt.«
    »Ich komme, wohin du willst.«
    »Dort ist kein Besuch erwünscht.«
    »Dann lass mich wenigstens diese vier Wochen an deiner Seite sein. Zeig mir deine Welt. Ich bin lernfähig.«
    Zum ersten Mal blickte Svenja Daniel mit echtem Interesse an. »Müsstest du nicht gerade auf dem Weg zu einem neuen Milliardendeal sein?«
    »Ich habe den Flug auf morgen früh verschoben. Bitte lass mich bis dahin bei dir sein.«
    »Prima«, sagte ich. »Wir können gut noch Hilfe beim Aufräumen gebrauchen.«
    Wenn ich mich gefreut hatte, meinen Bruder nun häufiger zu sehen, so wurde ich enttäuscht. Zwar sah ich ihn, aber er mich nicht. Er nahm mich überhaupt nicht wahr, wenn er in unserer Küche saß. Er bemerkte mich nicht, wenn ich ihm Kaffee anbot, was aber nicht weiter schlimm war, da er dem Kaffeegenuss gleich am Sonntag nach unserer Fete abgeschworen hatte. Kaffee sei Gift für den Körper, hatte Svenja ihm erklärt, und Daniel hatte genickt und die Tasse, die ich gerade vor ihn hingestellt hatte, in den Ausguss gekippt. Seitdem trank er Wasser, wahlweise heiß oder kalt, selten als Tee aufgebrüht oder mit einem Pfefferminzblatt aromatisiert. Er behauptete, auch auf seinen Reisen, die er auf die absolut notwenige Dauer reduzierte, keinen Kaffeemehr zu sich zu nehmen, und ich glaubte ihm. Wenn Daniel nämlich eines bereits frühzeitig bewiesen hatte, dann war das seine Fähigkeit zur Disziplin.
    Seit seinem sechzehnten Lebensjahr wusste mein Bruder, dass er in die internationale Finanzwelt einsteigen wollte. Er begann über Derivate, Optionen, Zinsswaps, Futures, Credit Default Swaps und Forward Rate Agreements zu fabulieren, was mich wenig beeindruckte. Ich wollte weiter Tierärztin werden, spezialisiert auf Frösche, denn die liebte ich besonders. Daniels Notendurchschnitt lag zum Zeitpunkt seiner Zukunftsplanung bei einer gemütlichen Vier. Als meine Mutter ihn darauf hinwies, dass seine schulischen Leistungen ein Hindernis auf dem Weg zum gewählten Berufsziel darstellen könnten, überdachte er seine Entscheidung, wollte aber nicht davon abrücken und begann zu lernen. Das Abitur machte er mit Eins Komma fünf. Hätte er Sport rechtzeitig abgewählt, wäre das Ergebnis noch besser geworden.
    Diese Verbissenheit (er selbst würde sicher das Wort Zielorientierung benutzen) bewies er nun wieder. In jeder möglichen Sekunde hing Daniel an Svenjas Rockzipfel und ließ sich von ihr beschimpfen.
    »Geld ist ein System der Unterdrückung und du bist Teil dieser lebensverachtenden Macht.«
    Daniel nickte.
    »Deine ständigen Flugreisen heizen den Klimawandel erst so richtig an.«
    Daniel nickte.
    »Ihr Finanzspekulanten stürzt ganze Staaten, ach, was sage ich, ganze Kontinente in Armut und Verzweiflung.«
    Daniel nickte.
    »Sag mir, was ich tun soll«, forderte er sie dann auf.
    Svenja seufzte. »Mein Gott, wo soll ich da anfangen?«
    Ich ließ die beiden allein und ging shoppen. Als designierte PR-Managerin des Marketingleiters der Firma Siebendt GmbH, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit einer exklusiven Produktlinie, musste ich schließlich präsentabel aussehen.

2
    »Frau Tutz, wie schön, Sie wiederzusehen!«
    Dieses Willkommen ließ mein Herz höher schlagen, obwohl ich wusste, dass es nicht so gemeint war, wie ich es gern gehabt hätte. Philip Steffen Siebendt war einfach ein Mann, der wusste, was sich gehört. Und was die Menschen gern hörten. Und er war ein Meister darin, jedem Gegenüber das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, respektiert und geschätzt zu werden – und sogar gemocht. Er war nicht nur grundsätzlich verbindlich, sondern von Natur aus charmant und damit genau der Richtige für seinen Job: Leiter Unternehmenskommunikation und Marketing.
    Außerdem war

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