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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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öffnete die Tür zur Diele. Tatsächlich. Daniellag wie ein Hund auf der Schwelle zu Svenjas Zimmer. Ich stürzte zu ihm.
    Wenn Daniel sein Luxuspenthouse und sein Dreitausend-Euro-Luxus-Seidenbett gegen ein Nachtlager auf abgewetzten Bodendielen tauscht, musste etwas passiert sein. Etwas Schlimmes. Mindestens ein Schwächeanfall, wenn nicht der bereits erwähnte Herzinfarkt. Ich fühlte seine Stirn. Sie war weder heiß noch kalt noch nass. Ich suchte den Puls am Handgelenk neben der Uhr für siebentausend Dollar, die es nur in ausgewählten Juweliergeschäften in New York, Zürich und Tokio gab, fand ihn aber nicht. Am Hals war er gleich zu spüren: Sechsundsechzig kräftige Schläge pro Minute. Daniels Atem war regelmäßig, seine Gesichtsfarbe gesund, soweit sich das im Dämmerlicht unserer Diele beurteilen ließ.
    »Daniel, wach auf. Was ist los?«
    Er regte sich. Blinzelte. Fokussierte seinen Blick auf mich und runzelte die Stirn.
    »Svenja?«
    »Bist du gesund?«, fragte ich besorgt.
    »Was ist mit ihr?«
    »Mit wem?«, fragte ich zurück.
    Er rappelte sich auf, strich sein Tausend-Euro-Jackett glatt und legte das Ohr an Svenjas Tür.
    »Ist sie schon wach?«, flüsterte er.
    »Sieh mich an!«, verlangte ich in strengem Tonfall.
    Daniel blinzelte mich an. Seine Pupillen waren nicht geweitet, die Augen nicht gerötet, auch ansonsten zeigte er keine Anzeichen von Drogenmissbrauch. Ich konnte das beurteilen, denn seit Mike in unserer WG wohnte, war ich Expertin auf diesem Gebiet. Mein Bruder schien also völlig gesund und normal – bis auf die Sache mit dem Dielenlager und der Fixierung auf Svenja.
    »Was ist gestern Abend passiert?«, fragte ich.
    »Ich habe mich verliebt«, hauchte er.
    Das haute mich um.
    Mein Bruder Daniel ist acht Jahre älter als ich, also vierunddreißig. Meine einzige Erinnerung an einen verliebten Daniel geht zurück in die Zeit, als ich in die Schule kam. Seit die rotwangige, aber vollbusige Cordula ihm im zarten Alter von vierzehn Jahren das Herz brach, war Daniel nie wieder gefühlsmäßig involviert, wie er selbst das gern nennt. Natürlich hat er immer mal wieder heiße Deals (seine Formulierung, nicht meine!) mit Kolleginnen oder Finanzweltgroupies. Er schwärmt mir gelegentlich von einer taffen Traderin oder einem langbeinigen Model vor, das er in irgendeinem angesagten Club aufgabelt, aber Gefühle sind da nicht im Spiel.
    Jedenfalls nicht über der Gürtellinie.
    »In Svenja?«, vergewisserte ich mich.
    Er nickte.
    »Das beruht wohl nicht auf Gegenseitigkeit?«
    »Wie kommst du darauf?«
    Ich warf einen aussagekräftigen Blick auf den von Daniels Jackett blank gewischten Abschnitt unseres gammeligen Dielenbodens.
    »Nein.« Das folgende Seufzen brach mir das Herz. So hatte ich meinen Bruder noch nie erlebt.
    »Komm Brüderchen, ich mache dir einen Kaffee.«
    »Er hat überhaupt keinen Bezug zum echten Leben«, sagte Svenja vier Stunden später.
    Federico war bereits auf dem Weg zu seinen Eltern, Daniel unterwegs nach New York und unsere Mitbewohner Conny und Mike schliefen wie üblich, wenn es etwas zu tun gab. Svenja und ich saßen am Küchentisch und sammelten Mut und Kraft für die notwendige Kernsanierung unserer Wohnung. Ich schüttete die sechste Tasse Kaffeein mich hinein, sie trank heißes Wasser. Svenja hielt nichts von Koffein, Alkohol und anderen Drogen, was zum endgültigen Zerwürfnis zwischen ihr und Marihuana-Mike geführt hatte.
    »Er ist ein wirklich netter Kerl«, pries ich Daniel an, der in diesem Moment vermutlich die Sicherheitsinstruktionen des Kabinenpersonals desinteressiert an sich vorbeirauschen ließ und stattdessen unerlaubterweise noch auf seinem Handy oder Laptop ein paar Börsenkurse checkte, bevor er es nach wiederholter Aufforderung als Allerletzter abschaltete.
    »Das Einzige, was ihn interessiert, ist Geld«, sagte Svenja.
    Diese Einschätzung war leider vollkommen zutreffend, also hatte ich dem nichts entgegenzusetzen.
    Es klingelte an der Tür und ich schlurfte in die Diele, drückte mechanisch den Türöffner und ließ mich wieder vor meinem Kaffeebecher nieder. Sicher hatte ein Partylöwe etwas vergessen – zum Helfen jedenfalls war noch nie jemand an den Ort des Geschehens zurückgekehrt.
    »Ich muss dich wiedersehen«, erklang eine bekannte Stimme hinter mir im Türrahmen. Daniel!
    »Bist du nicht in New York?«, fragte ich fassungslos.
    Er stürzte an mir vorbei und sank vor Svenja auf die Knie. »Bitte!«
    Daniel hatte geduscht, trug

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