Mönchsgesang
ihn zur Vernunft bringen. »In Jülich wütet die Pest, du bleibst bei mir!«
Dreyling ließ sich nicht beirren. »Ich reite nicht zurück nach Jülich, Junge. Dort müsste ich unentwegt an deine Mutter denken. Ich werde meinen Bruder, deinen Onkel Robert, in Münstereifel aufsuchen. Wie du weißt, besitzt auch er einen Weinhandel. Robert ist nicht mehr der Jüngste, vielleicht kann er ja tatkräftige brüderliche Hilfe gebrauchen.«
»Aber …«
»Kein aber. Das Dorfleben hier ist nichts für mich. Ich brauche Betriebsamkeit um mich herum. Morgen früh reite ich los. Und euch wünsche ich alles Glück der Welt.« Er griff nach der Hand seines Sohnes und drückte sie fest. »Nur eine Bedingung stelle ich euch«, fuhr er mit heiserer Stimme fort.
»Welche, Vater?«
»Lasst mich rufen, wenn ihr vor den Traualtar tretet.«
»Sicher, Vater. Du wirst es rechtzeitig erfahren.« Mathäus spürte den Kloß, der seinen Hals blockierte. Nacheinander umarmte er seinen Vater, seine Geliebte, Maria und Dietrich. Dann verließ er mit großen Schritten die Wohnstube und begab sich zum Stall, wo er Julius zu satteln begann. Er merkte bald, dass man ihn von der Stalltür aus beobachtete, war jedoch in dem Glauben, dass es sich hierbei um seinen Vater handelte, der ihm gefolgt sei.
»Vater, mach es mir nicht so schwer«, bat er ihn, ohne sich umzublicken. Es war ihm längst bewusst geworden, wie sehr er seinen Vater in Wirklichkeit liebte.
»Wir sind nicht Euer Vater«, kam es etwas schüchtern zurück.
Mathäus fuhr herum. Die Horde der Bauern und Knechte hatte sich neu formiert und blockierte den Ausgang. Doch diesmal trugen sie weder Mistgabeln noch andere tückische Gerätschaften. In ihrer Mitte befand sich ein Handkarren, randvoll mit allerlei Lebensmitteln. Mathäus erkannte Eier, Zwiebeln, Gemüse und Gebäck. Ein paar der Bauern hielten zusätzlich Bierkrüge in ihren Händen. Die Männer scharrten verlegen mit ihren Füßen.
»Wir wollten uns bei Euch entschuldigen, Herr Mathäus«, sprach Bauer Rudolf kleinlaut.
»Aus diesem Grund haben wir Euch ein paar kleine Aufmerksamkeiten mitgebracht«, ergänzte sein Sohn, der junge Eberhard, nicht minder beschämt.
Mathäus' letzter Rest von Zorn auf die Belagerer war mit einem Male wie weggeflogen.
»Der Kuchen ist von mir«, piepste eine weitere Stimme, die jedoch eindeutig von einer Frau stammte. Der Dorfherr lugte über die Köpfe der Bauern und erkannte die dicke Kunigunde. Er unterdrückte ein Schmunzeln und versuchte ernst zu bleiben.
»Ich nehme eure Entschuldigung an«, erklärte er schließlich feierlich. »Doch nehmt eure Geschenke wieder mit. Ich brauche sie wirklich nicht.«
»Aber Herr …«
Mathäus unterbrach den Einwand mit einer Handbewegung, die keinen Widerspruch duldete. »Macht euren Familien eine Freude damit. Wer weiß, was der Winter uns bringen wird. Und jetzt geht!«
Stumm gehorchte die Meute. Mathäus aber schwang sich in den Sattel und machte sich auf den Weg zur Burg Merode.
Elisabeths Augen schossen Blitze. »Sie ist geflüchtet?«, fauchte sie den Dorfherrn an.
»Ja, Frau Elisabeth.«
Die Herrin von Merode suchte den Blick ihres Gatten. Der lag noch immer unter dem Baldachin seines Bettes und ließ sich von einer Zofe den Kopfverband wechseln. Dennoch entging ihm nichts. »Woher wisst Ihr denn, dass sie es war?«, rief er herüber.
»Von ihrem Geliebten«, erwiderte Mathäus knapp.
Elisabeth trat einen Schritt vor. »Und würdet Ihr uns auch gütigst sagen, wer ihr Geliebter ist?«
»Nein. Seine Information war vertraulich. Außerdem gehört er zu Rikalts Dienerschaft.«
Konrad lachte hämisch auf. »Und warum habt Ihr diese verbrecherische Magd nicht verfolgen lassen?«
»Weil ich der Dorfherr von Merode bin und nicht Euer Häscher.«
Elisabeths Gesicht wurde zu einer starren Maske des Zorns. Mit Mühe beherrschte sie sich. »Sicherlich hat ihr Geliebter Euch aber gesagt, wohin sie geflüchtet ist, nicht wahr?«
»Ja, das hat er.«
»Dann lasst Euch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Ihr seid verpflichtet, uns dies mitzuteilen. Wenn Ihr selber schon nicht in der Lage seid, sie wieder einzufangen, dann werden wir halt andere Leute schicken.«
»Das ist Euer gutes Recht, Frau Elisabeth. Jedem die Strafe, die ihm gebührt.«
»Also?«
»Sie ist auf dem Weg nach Aachen.«
Elisabeth klatschte sogleich dreimal laut in die Hände, woraufhin ein junger Page das Zimmer betrat. »Schick mir den Rittmeister her!«, befahl
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