Mönchsgesang
ein Kreuzzeichen zu schlagen.« Seine Worte hallten durch den Kirchenraum. Sowohl Norbert von Kerpen als auch die Mönche verharrten auf ihren Plätzen und sahen zu ihnen herüber. Niemand wollte den sich anbahnenden Disput versäumen.
»Ich denke, die religiösen Gepflogenheiten des Herrn Heinrich stehen hier nicht zur Debatte, Pater«, kommentierte Mathäus die Bemerkung des Priors mit gedämpfter Stimme. Dies jedoch schien für Anselm nur ein weiterer Anreiz zu sein, seine Stimme zu erheben.
»Ihr irrt! Inzwischen steht Eure gesamte Anwesenheit hier zur Debatte. Leider habt Ihr mir noch keinen Mörder präsentieren können. Aber dafür habt Ihr unser Klosterleben auf den Kopf gestellt.«
»Morgen, Pater, kehren Eure Laienbrüder zurück«, versuchte Mathäus ihn zu beschwichtigen.
»Und morgen präsentieren wir Euch auch den Mörder«, fügte Heinrich hinzu. »So wie ich es Euch versprochen habe.«
Prior Anselm zog die Stirn kraus. »Das hört sich ja an, als würdet Ihr ihn bereits kennen.«
»Das stimmt, Pater.«
»Und warum sagt Ihr mir dann nicht hier und jetzt, wer es ist, und bereitet diesem Alptraum endlich ein Ende?«
»Weil Herr Mathäus und ich noch einmal alles bereden müssen, damit letzte Zweifel ausgeräumt werden.«
Der Prior hob einen Finger. »Morgen früh!«, sagte er ultimativ und huschte davon. Seine Mitbrüder folgten ihm eilends, wobei sie die beiden Männer auf der letzten Bank mit recht unterschiedlichen Blicken bedachten. Walraf und Notker schienen wie immer erbost zu sein, obwohl Mathäus in ihren Augen diesmal auch einen Funken Angst zu erkennen glaubte. Edmonds Blick verhieß Unbehagen, als wisse er immer noch nicht, was er von den Geschehnissen der vergangenen Tage halten sollte. Die Novizen schauten eher neugierig drein, während Engelbert sie überhaupt nicht beachtete, sondern würdevoll an ihnen vorüberschritt.
»Ihr kennt den Mörder?«, meldete sich nun auch Norbert zu Wort. Seine dunkle Stimme dröhnte durch die Kirche. »Beim Arsch des Teufels, wer ist es?«
»Morgen früh werdet auch Ihr es wissen«, erwiderte Mathäus leise.
Die Nacht hatte sich wie eine dunkle Glocke über den Wald gestülpt. Am Firmament funkelten nur wenige Sterne, und die Kronen der halb kahlen Bäume rauschten im Wind. Auf einer Lichtung ragten die Mauern des Klosters Schwarzenbroich in die Nacht hinein, das Sternenlicht verlieh ihnen schemenhafte Umrisse. In den Zellen der Mönche waren die Lichter bereits seit Stunden erloschen, und auch aus den Fenstern des Gästehauses drang kein Kerzenschein mehr nach draußen. Selbst die Mondsichel war hinter einem dunklen Wolkenband verschwunden. Alles schien in einen Tiefschlaf versunken.
Der dunkel gewandete Mönch, der plötzlich über den Klosterhof huschte, strafte diesen Eindruck Lügen. Er bewegte sich schnell, aber lautlos, wie eine Katze. Auf der Kutte, die er trug, prangte das rotweiße Kreuz der Kreuzherren, und es war offensichtlich, dass er unter dieser Kutte einen Gegenstand verbarg. Das Gesicht des Mönches war durch den Schatten seiner Kapuze nahezu unkenntlich.
Er erreichte das Gästehaus und sah sich um. Weit und breit war keine Menschenseele zu erblicken. Und niemand würde sein Vorhaben vereiteln. Er öffnete die Haustür des Gästehauses mit einem kleinen Stück Draht, den er mit einer geübten Bewegung in das Schloss bohrte. Auch dies geschah lautlos. Schon stand er im Korridor, wo seine Augen sich erst einmal an die Dunkelheit gewöhnen mussten. Er holte langsam den verborgenen Gegenstand unter seiner Kutte hervor. Eine Armbrust! In einem Köcher, der nun ebenfalls am Gürtel des Mönches zum Vorschein kam, steckten drei Bolzen. Mehr würde er nicht brauchen.
Er trat an die Tür, hinter der die beiden Schnüffler den Schlaf der Gerechten schliefen. Es sollte ihr letzter Schlaf werden. Ihr letzter und ewiger Schlaf! Um den Hund brauchte der Mönch sich keine Gedanken mehr zu machen. Sicherlich hatte dieses Monstrum das vergiftete Stück Fleisch, das er im Zimmer unter dem Tisch ausgelegt hatte, längst gefunden und gierig verschlungen. Auch er würde das Tageslicht nicht mehr erblicken.
Der Mönch atmete tief durch und griff mit seiner behandschuhten Hand nach dem Türgriff. Mit unendlicher Langsamkeit drückte er ihn nach unten. Als der Griff nicht mehr nachgab, ging der Mönch dazu über, leichten Druck gegen die Tür auszuüben. Durch einen engen Spalt drang fahles Licht nach außen, das durch das glimmende Holzkohlebecken
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