Mönchsgesang
nicht genug schwarze Seelen gesammelt, die Menschheit noch nicht genug gelitten. Und die Mauern dieses Klosters müssen erst noch zu Ruinen werden.« Er blieb stehen und machte eine ausholende Bewegung mit beiden Armen. »Ja, ich sehe trostlose Ruinen in der Stille des Waldes.«
»Bis dahin aber werden noch einige Jahrhunderte vergehen, Pater«, tröstete Mathäus den Prior. »Ihr habt die ehrenvolle Aufgabe, dieses Kloster zu einer Blüte zu führen. Und Ihr steht erst am Anfang. In einigen Jahren wird der Konvent ein paar Dutzend Köpfe zählen.«
»Glaubt Ihr wirklich?«
»Ich bin fest davon überzeugt. Manch einer würde Euch um diese Aufgabe beneiden.«
Prior Anselm deutete eine respektvolle Verbeugung an. »Ich danke Euch für Eure netten Worte. Ihr habt sicherlich Recht, mit dem was Ihr sagt. Es kann nicht Gottes Wille sein, dass ich in Lethargie versinke. Es ist meine heilige Pflicht, Ihm bei der Errichtung Seines irdischen Reiches zu helfen.« Seine Brust mit dem rotweißen Kreuz hob sich unter einem schweren Atemzug. »Bei aller Dankbarkeit, die ich Euch gegenüber empfinde, möchte ich Euch nun dennoch bitten, uns zu verlassen. Der weltliche Arm wird hier nicht mehr benötigt. Wir müssen unser gesamtes Augenmerk wieder auf die geistlichen Aufgaben richten, für die wir unsere Gelübde abgelegt haben.«
Mathäus und Heinrich nickten verständnisvoll. »Sicher, Pater«, sagte der Dorfherr. »Unsere Bündel sind bereits geschnürt.«
Kurze Zeit später führten sie ihre Pferde aus dem Stall. Prior Anselm wartete auf sie, um sie zu verabschieden. Seine eingefallenen Augen waren von einem feuchten Film überzogen. Die Männer reichten sich die Hände. »Gott mit euch«, verabschiedete sie Anselm mit zitternder Stimme. Heinrich und Mathäus bestiegen ihre Pferde, hoben grüßend ihre Hände und verließen im Glanz der aufgehenden Herbstsonne das Klostergelände. Chlodwig folgte ihnen bellend, offensichtlich froh, diesen seltsamen Ort hinter sich lassen zu können.
Auf der Anhöhe vor dem Gedenkstein, wo einst der Apostel Matthias Herrn Werner von Merode erschienen war, machten sie noch einmal Halt und warfen einen letzten Blick auf das Kloster, in dem sie dem Tod nur knapp entronnen waren.
»Glaubst du wirklich, dass Karsil ein Kaisermörder war?«, fragte Mathäus seinen Freund nachdenklich.
Heinrich hob seine Schultern. »Wer weiß? Vielleicht wollte sich der falsche Novize auch nur ein wenig wichtig machen, als er sah, dass er sein Spiel verloren hatte. Jedenfalls schlage ich vor, diese merkwürdige Geschichte einfach für uns zu behalten.«
»Einverstanden.«
Sie setzten ihren Weg fort. Beide Männer schienen in Grübeleien versunken. Als sie einen Reiter sahen, der in Windeseile auf sie zugaloppierte, zügelten sie erneut ihre Pferde. Heinrich spähte durch den morgendlichen Dunst. »Hat rote Haare, der Knabe.«
»Dietrich!« rief Mathäus erstaunt.
Er hatte Recht. Der Diener brachte seinen Gaul unmittelbar vor den beiden Männern zum Stehen. Seine Mundwinkel umspielte ein schelmisches Grinsen.
»Ich dachte, du befändest dich längst auf dem Weg zu deiner Roswitha nach Monschau«, begrüßte ihn der Dorfherr.
»Hatte ich eigentlich auch vor«, entgegnete Dietrich. »Bis ich diese Nachricht unter meinem Kopfkissen fand. Zum Glück kann der gute Dietrich lesen.« Er zückte einen Fetzen Pergament aus seinem Wams und reichte ihn Mathäus.
Mathäus versuchte das Pergament zu glätten. »Folge mir nicht. Ich liebe dich nicht. Roswitha«, las er laut. Vielleicht wollte die Gute es ihm bloß etwas einfacher machen, überlegte er. Stirnrunzelnd reichte er die Nachricht an den Diener zurück. »Das ist natürlich tragisch!«
Dietrich machte nicht gerade den Eindruck, als sei er niedergeschmettert. »Was soll's? So sind halt die Frauen. Wer weiß schon, was in ihren Köpfen vorgeht. Jedenfalls freue ich mich, wieder zu Euren Diensten sein zu können.«
»Ich freue mich natürlich auch, Dietrich. Auch wenn mir die Sache mit Roswitha sehr Leid tut. Aber bist du nur hergekommen, um mir das zu sagen?«
Der Diener hob unbekümmert die Schultern. Die Verschlossenheit, die ihn in den letzten Tagen geprägt hatte, war wie weggeblasen. »Na ja, ich dachte, ich könnte vielleicht ein paar Botenritte für Euch erledigen.«
»Heute nicht mehr, Dietrich. Die Angelegenheit auf Kloster Schwarzenbroich ist erledigt. Wir sollten nun nach Merode reiten und den fetten Leo aus seinem Bett trommeln, damit er uns ein
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